Birgit Minichmayr als Maria Stuart, Fotoprobe zur Premiere des Schauspiels  auf der Perner-Insel
APA/BARBARA GINDL
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Geheimschrift

Briefe von Maria Stuart entschlüsselt

Am 8. Februar 1587 ist Maria Stuart hingerichtet worden. In ihrer langjährigen Gefangenschaft verfasste die schottische Königin zahlreiche Briefe in Geheimschrift. Drei Forscher entdeckten nun in der französischen Nationalbibliothek 50 bis dato unbekannte Briefe. Zum Jahrestag der Enthauptung berichten sie von der Entschlüsselung.

Das Leben von Maria Stuart, Königin von Schottland, stand unter keinem guten Stern. Es war geprägt von der andauernden Konkurrenz zu ihrer Großcousine Queen Elizabeth I.. Die überzeugte Katholikin Maria I. hatte durch ihre Abstammung ebenfalls einen legitimen Anspruch auf den englischen Thron. Dorthin wünschte sie auch ihre katholische Anhängerschaft.

1569 stellte Elizabeth ihre Rivalin unter Hausarrest. Ihre letzten 18 Jahre – fast die Hälfte ihres Lebens (1542–1587) – verbrachte die schottische Monarchin daher in Gefangenschaft auf diversen Schlössern, meist unter der Aufsicht von George Talbot, dem Earl of Shrewsbury, bevor sie im Februar 1587 wegen Hochverrats hingerichtet wurde.

Maria hatte in ihrer Gefangenschaft weiter intrigiert und Komplotte geschmiedet. Elizabeth wollte das nicht mehr tolerieren. Allein den letzten drei Lebenstagen hat Friedrich Schiller sein Drama „Maria Stuart“ gewidmet und damit viel zum öffentlichen Bild der romantischen, vom Volk geliebten Königin beigetragen.

Politik in Briefen

Dass Maria plante, Elizabeth zu ermorden und sich selbst zur englischen Königin zu krönen, erfuhr die Gegenseite aus abgefangenen Briefen, die Maria eifrig verschickte. Dabei hatte sie große Teile der Korrespondenz nicht nur heimlich hinausschmuggeln lassen, sondern in Geheimschrift verfasst, um sie für nicht eingeweihte Dritte unlesbar zu machen. Derartige Methoden waren bei Adeligen durchaus beliebt. Meistens wurden zu diesem Zweck Buchstaben, Silben oder Wörter durch einzelne grafische Symbole ersetzt.

Wie umfangreich die illegalen Briefe waren, die der schottischen Königin letztlich zum Verhängnis wurden, zeigt nun ein Zufallsfund dreier Forscher: George Lasry, Computerwissenschaftler und Kryptograf, Norbert Biermann, Pianist und Musikprofessor, und der Physiker Satoshi Tomokiyo haben die Bibliotheque nationale de France nach in Geheimschrift verfassten Dokumenten durchsucht. Erst nach der Entschlüsselung, von der das Team jetzt im Fachmagazin „Cryptologica“ berichtet, wurde nach und nach klar, dass es sich um 57 Briefe von Maria Stuart handeln muss.

Korrespondenz mit Frankreichs Botschafter

50 davon waren der Geschichtsforschung bis heute unbekannt. Die meisten richteten sich an Michel de Castelnau, den französischen Botschafter in England, der ein Anhänger Marias war. Der vertrauliche Kommunikationskanal zwischen den beiden war zwar schon bekannt. Die neuen Briefe zeigen allerdings, dass er schon im Mai 1578 und mindestens bis Mitte 1584 existierte. „Ich war sehr, sehr verwundert, und es fühlte sich irgendwie surreal an“, so Lasry in einer Aussendung. Er ist Teil des europäischen „DECRYPT“-Projekts, das verschlüsselte historische Dokumente sammelt und übersetzt.

Die Dokumente waren falsch einsortiert. Als die Forscher dann bei der Entschlüsselung, für die auch computerbasierte Methoden zum Einsatz kamen, über Wörter wie „Gefangenschaft“ und den Namen Walsingham stolperten, wurden sie hellhörig. Sir Francis Walsingham war ein Vertrauter von Elizabeth und Chef eines Spionagenetzwerks. Ein Vergleich mit bereits archivierten Briefen bestätigte, dass die jetzt entdeckten eigentlich nur von Maria Stuart stammen können.

Politik in der Isolation

In ihrer Studie liefern die Forscher erste inhaltliche Zusammenfassungen der Briefe, genauere Analysen wollen sie Historikern und Historikerinnen überlassen. Maria thematisiert in ihrer Korrespondenz zum einen harmlosere Themen wie gesundheitliche Probleme sowie Klagen angesichts ihrer Gefangenschaft und ihre Verhandlungen mit Elizabeth wegen einer möglichen Freilassung.

Die Briefe illustrieren zum anderen, wie Maria aus der Isolation heraus versuchte, weiter Politik zu machen. Dabei wird unter anderem ihr Misstrauen gegenüber Walsingham deutlich. Sie beschreibt ihn als hinterlistige Person, die sich mit unlauteren Methoden Freundschaften erschleiche. Auch ihre Feindschaft gegenüber anderen Vertrauten, etwa Robert Dudley, dem 1. Earl of Leicester, wird zum Thema.

Verschwörungen und Missgunst

Maria bittet de Castelnau immer wieder, Elizabeth über geplante Verschwörungen zu unterrichten. Auch bei der Rekrutierung von Spionen und Boten bittet sie den Botschafter um Unterstützung, macht gleichzeitig aber auch deutlich, dass manche Personen, die für sie arbeiten, auch Walsinghams Agenten sein könnten.

Sehr beschäftigt hat Maria anscheinend auch die geplante Ehe zwischen dem Franzosen Francois-Hercule de Valois, duc d’Alencon und Elizabeth. Sie warnt ihren französischen Brieffreund wiederholt davor, dass sich die englische Seite bei den Verhandlungen nicht ehrlich verhalte. Sie wolle nur Frankreich und Spanien schwächen, schreibt Maria. Die Ehe kam letztlich nicht zustande.

Viele Briefe widmen sich auch den Verhandlungen zur Freilassung Marias und den Plänen, sie wieder als Königin von Schottland einzusetzen, sofern sie auf den englischen Thron verzichtet. Die Treffen mit den Beauftragten beschreibt sie zu Beginn hoffnungsvoll, kommt aber dann zum Schluss, dass das zu nichts führen werde und es sich wohl nur um einen Versuch der Gegenseite handle, Zeit zu gewinnen.

Laut den Studienautoren ist die bekannte Korrespondenz mit de Castelnau durch die nun entzifferten Briefe deutlich gewachsen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass in anderen Archiven noch weitere Dokumente aus Maria Stuarts Gefangenschaft auftauchen.