Mann geht vor einem Haus, das im Zuge des Erdbebens in Syrien eingebrochen ist
AFP – Basma BADRAN
AFP – Basma BADRAN
Erdbeben in Türkei und Syrien

So funktionieren Frühwarnsysteme

Ein Erdbeben konkret vorherzusagen ist wissenschaftlich noch nicht möglich. Allerdings gibt es komplexe Frühwarnsysteme, die Erschütterungen schnell erkennen können, wie Fachleute anlässlich der Erdbeben in der Türkei und in Syrien erklären.

Regionale Systeme sind in den Gebieten installiert, in denen Erdbeben zu erwarten sind. Dort erfasst ein seismisches Beobachtungsnetzwerk starke Erschütterungen im Boden, berichtet der Forschungsbereich Erde und Umwelt der deutschen Helmholtz-Gemeinschaft.

Frage von Sekunden

Bei einem Erdbeben entstehen verschiedene Arten seismischer Wellen, darunter eine Kompressionswelle (P-Welle) mit relativ geringer Schwingung und die zerstörerische Scherwelle (S-Welle). Zwischen ihnen liegen nah am Epizentrum wenige Sekunden. „Je weiter man davon entfernt ist, desto mehr Zeit bleibt für einen Alarm. Ist man nah am Epizentrum, ist die S-Welle schon vor diesem angekommen“, sagt Stefano Parolai vom Nationalen Institut für Angewandte Geophysik Italiens.

In dieser Zeit empfangen Softwareplattformen die Echtzeitsignale des Beobachtungsnetzwerkes, verarbeiten sie und senden einen Alarm aus. Die verknüpfte Infrastruktur sorgt dafür, dass sofort Warnungen herausgegeben werden und etwa Strom- und Gasleitungen abgeschaltet, Züge gestoppt, Brücken gesperrt und gefährliche industrielle Prozesse angehalten werden.

Frühwarnung beim aktuellen Beben unmöglich

Ein anderes Frühwarnsystem arbeitet mit folgender Strategie: Dort werden die seismischen Messungen an dem Punkt vorgenommen, der geschützt werden soll – etwa in einer Stadt oder an einer Industrieanlage. Die Messgeräte registrierten die P-Welle, könnten daraus ableiten, wie stark die S-Welle etwa werde, und sofort Maßnahmen auslösen, so Experte Parolai.

Beim aktuellen Erdbeben in der Türkei und Syrien wäre eine solche Frühwarnung unabhängig vom eingesetzten System nicht möglich gewesen, erklärt Marco Bohnhoff vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam. Denn die betroffene dicht besiedelte Region liege in unmittelbarer Nähe des Epizentrums, sodass es keinen Zeitraum für Warnungen gegeben hätte.