Bild von Artemis 1 mit dem Mond im Hintergrund
NASA
NASA
„Artemis“

Antrieb aus Europa fliegt zum Mond

Ein Antrieb „Made in Europe“ soll Astronauten und Astronautinnen in einigen Jahren zum Mond bringen. Die Europäische Weltraumorganisation liefert das „European Service Module“ (ESM) für die „Artemis“-Missionen der NASA. Erstmals befinden sich drei Module im Airbus-Werk in Bremen, wie ein ORF-Lokalaugenschein zeigt. Das System funktioniert – die Serienproduktion beginnt.

„ESM 5 steht hier, dahinter ist ESM 3, wo der Innenausbau läuft, und in der nächsten Halle ist ESM 4,“ erklärt ein Airbus-Mitarbeiter auf der Tour durch die Reinräume in Bremen. Mit Häubchen, Überschuhen und Mänteln ausgestattet geht die Gruppe vorbei an gleich angezogenen Airbus-Mitarbeitern – Gehwege dürfen nicht verlassen werden, die Gruppe muss zusammenbleiben. Fotografieren verboten, heißt es zu Beginn bei Servicemodul Nummer drei, das planmäßig 2027 Menschen zum Mond bringen soll – inklusive Landung. Nummer eins ist bekanntlich nach einem Mondflug wieder sicher auf der Erde gelandet und Nummer zwei ist bereits im Kennedy Space Center für die für 2025 geplante „Artemis 2“-Mission inklusive Crew.

Führung im Reinraum – im Hintergrund ist das ESM 4 zu sehen
ORF/Paul Sihorsch
Kein Fotoverbot: Das Bild zeigt im Hintergrund das ESM 4 in der Mitte der Arbeitsbühne.

ESM ist lebenswichtiger Rucksack

Das europäische Servicemodul ist ein gut gefüllter Rucksack mit allem, was Astronautinnen und Astronauten auf dem Weg zum Mond brauchen. Es ist mit dem Crew-Modul „Orion“ verbunden und versorgt das Team mit Sauerstoff und Wasser. Das ESM beherbergt auch 32 große und kleine Triebwerke, die das Raumschiff Richtung Mond beschleunigen und Kurskorrekturen ermöglichen – dafür hat das vier Meter hohe Servicemodul 8.000 Liter Treibstoff an Bord.

„Das Haupttriebwerk war schon einmal im Weltall. Es ist ein wiederverwendetes Teil der Spaceshuttle-Missionen. Es wird mit vier Treibstofftanks aus Titan verbunden“, beschreibt der Tourguide, was die Gruppe im Inneren der Arbeitsbühne sieht. Das ESM besteht aus rund 20.000 Teilen und zwölf Kilometern Kabeln. 16 Monate dauert der Bau. Nummer drei wird laut Airbus noch heuer an die NASA ausgeliefert – danach soll jedes Jahr ein neues ESM in Bremen gefertigt werden.

Grafik beschreibt die Funktion des ESM
Airbus
Sauerstoff, Wasser und Treibstoff – die ersten drei Punkte der Packliste einer „Artemis“-Mission

„Test mehr als erfolgreich“

Nach Verzögerungen dann doch erfolgreich: „Artemis 1“ – der Testflug ohne Crew – ist im Dezember nach einem Mondflug sicher zurück auf der Erde gelandet. Das System „Europäisches Servicemodul“ hat bestanden. „Es hat besser gearbeitet, als wir erwartet haben“, zeigt sich David Parker, ESA-Direktor für All-Erforschung, bei der Pressekonferenz in Bremen begeistert. Auch aus der Sicht von Airbus hat das ESM perfekt gearbeitet. Es wurde weniger Treibstoff als erwartet verbraucht und die Solarpanele haben mehr Energie geliefert als berechnet. Kleinere Fehler, die nicht kritisch seien, hat es aber auch gegeben.

„In der Elektrik gab es einen Fehler. Relais haben sich von selbst aktiviert. Warum, wissen wir noch nicht. Die Fehlersuche läuft. Das Problem ist aber nicht kritisch. Es kann in ESM 2 und 3 auftauchen, die Elektronik-Box ist dort in der gleichen Variante eingebaut. Die Crew kann darauf aber reagieren.“ Es bestehe also keine Gefahr, versichert Ralf Zimmermann, bei Airbus für den ESM-Bau zuständig.

Das Europäische Servicemodul kann also in die Serienproduktion gehen. „Das sieht aber nicht so aus wie in der Automobilindustrie. Es bleibt ein hochkomplexer Prozess, und jedes ESM unterscheidet sich auch im Detail – in der Raumfahrt spricht man dennoch von Serienproduktion“, ergänzt Zimmermann gegenüber science.ORF.at.

Podium der ESA, NASA und von Airbus
ORF/Paul Sihorsch
Team aus Mitarbeitern von ESA, NASA und Airbus bei der internationalen Pressekonferenz in Bremen

„Mond ist unser achter Kontinent“

„So bald wie möglich!“, das ist die Antwort von David Parker auf die Frage, wann denn Astronautinnen und Astronauten aus Europa zum Mond fliegen und auf ihm spazieren gehen werden. Es sind zwar schon Plätze für Mondflüge für die ESA reserviert, aber wann die erste Landung sein könnte, steht noch in den Sternen. Dabei wäre es wichtig für die europäische Wissenschaft, dabei zu sein.

Der bekannte deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst bezeichnet den Mond als achten Kontinenten der Erde. Forschung auf dem Erdtrabanten könnte viele neue Erkenntnisse bringen. „Wenn wir Meteoriten finden, die von der Erde stammen, können wir mehr über die Entstehung von Leben auf unserem Heimatplaneten erfahren.“

Die Grafik zeigt den Zeitplan für künftige Artemis-Missionen
Airbus
Der „Artemis“-Zeitplan ist alles andere als in Stein gemeißelt – Verschiebungen sind immer möglich

Fahrplan für „Artemis“ immer wieder verändert

Das Vorhaben, mehr als 50 Jahre nach der letzten bemannten Landung auf dem Mond wieder Menschen dorthin zu bringen, erlebt immer wieder Rückschläge. Der Start der Probemission „Artemis 1“ musste mehrmals verschoben werden. Frühestens 2024 soll „Artemis 2“ dann Menschen zum Mond bringen – die erste Landung ist erst später vorgesehen. Obwohl es heute viel günstiger ist, Menschen ins All zu bringen, ist die „Artemis“-Mission dennoch ein enormer finanzieller Aufwand. Die sechs von der NASA bestellten ESM-Module allein kosten rund zwei Milliarden Euro.

Das ESM ist aber nur ein sehr kleiner Teil des Projekts. Der Hauptteil ist das „Space Launch System“ (SLS) – die Rakete, die die Astronauten und Astronautinnen von der Erde ins All bringt. Die Kapsel für die Crew ist ebenfalls ein eigenes Modul und wird in den USA gefertigt, dazu kommt noch das sogenannte „Lunar Gateway“ – eine Raumstation ähnlich der ISS, die künftig als Außenposten der Menschheit in der Mondumlaufbahn dienen soll.