Würfel, auf denen „Covid 19“ steht
gmstockstudio – stock.adobe.com
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Coronavirus

Vier Lehren aus der Pandemie

Vor drei Jahren sind in Österreich die ersten Infektionen mit SARS-CoV-2 bestätigt worden. Es folgte eine Zeit mit enormen Herausforderungen, aber auch Chancen. Auf den Erfahrungen lässt sich aufbauen – vom Virusmonitoring über chronische Erschöpfungskrankheiten und gute Luft in Innenräumen bis hin zu Solidarität in der Gesellschaft.

„Es ist wichtig, dass wir das Infektionsgeschehen um uns verstehen“, sagt der Virologe Andreas Bergthaler von der Medizinuniversität Wien. Seit der Pandemie steht dabei das Abwassermonitoring im Mittelpunkt: „Grundsätzlich wurde schon in den 1930er Jahren mit Polio gezeigt, dass das Monitoring durch Abwasseranalyse funktioniert. Aber das war immer ein Randthema.“ In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass es epidemiologisch eine sehr hohe Aussagekraft hat, so Bergthaler.

International gebe es mittlerweile Ansätze, das Abwasser von Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern regelmäßig zu analysieren und mit Proben von schwer erkrankten Menschen zu kombinieren. Letztlich gehe es immer darum, vorgewarnt zu sein und die richtigen Prioritäten zu setzen, wenn eine Krankheit ausbricht – "auch um im Idealfall präventiv zu verhindern, dass eine große Anzahl an Menschen schwer erkrankt.“ Hier sollte man mutig weiterdenken, so Bergthaler.

ME/CFS mehr im Fokus

Die Abkürzung ME/CFS steht für das chronische Erschöpfungssyndrom. Betroffene Menschen fühlen sich extrem abgeschlagen, die Erschöpfung geht oft so weit, dass Arbeit oder auch Alltagstätigkeiten wie Einkaufen oder Kochen nicht mehr möglich sind. Ausgelöst wird die Erkrankung durch virale Infekte. Zu den Gründen gibt es mehrere Hypothesen – von Viren, die im Körper aktiv bleiben, über ein fehlgeleitetes Immunsystem bis hin zu anhaltenden Entzündungen.

Um Therapien zu finden, braucht es Forschung, und hier hat die Pandemie die Aufmerksamkeit für ein Thema geschärft, das in der Medizin vorher eher stiefmütterlich behandelt wurde, so der Neurologe Michael Stingl: „Früher wurde ME/CFS als unplausibel abgetan, keiner hat sich wirklich damit beschäftigt. Insofern wird hoffentlich die Forschung an ME/CFS von der Forschung zu Long Covid profitieren.“ Denn es gibt viele Überschneidungen bei Entstehung und Symptomatik zwischen ME/CFS und Long Covid.

Aufgrund der großen Anzahl an Menschen, die jetzt mit diesen Beschwerden medizinische Betreuung brauchen, hofft der Neurologe auf Fortschritte insbesondere bei Medikamententests, von denen weltweit zahlreiche laufen. „Momentan ist es ein Herumprobieren, manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Es gibt Erfolgsgeschichten, und es gibt Menschen, bei denen sich sehr wenig tut. Aber es ist gut, dass jetzt zumindest was ins Rollen gekommen ist, was die Therapieforschung betrifft“, so Stingl, und er betont: „Ausreichend Anlaufstellen für Betroffene wäre die wichtigste Lehre aus der Pandemie.“

Gute Luft hält gesund

Konkrete Folgen hat die Pandemie für die Messung von Luftqualität in Innenräumen: Es gibt eine neue ÖNorm, also einen Standard für Luft in Bildungseinrichtungen; und auch das Institut für Schul- und Sportstättenbau empfiehlt Lüftungsanlagen für Kindergärten, Schulen und Turnsäle. „Die Pandemie hat jetzt bewirkt, dass da ein gewisses Umdenken passiert ist“, sagt der Innenraumanalytiker Peter Tappler.

Je mehr CO2-reiche Atemluft sich in einem Raum befindet, desto höher ist die Ansteckungsgefahr, nicht nur bei Covid, sondern auch bei anderen Krankheiten; und desto schlechter wird auch die Konzentrationsfähigkeit. „Es scheint so zu sein, dass in einigen Bundesländern und auch in Bundesschulen eine gute Lüftung Standard wird, indem in neuen Schulen oder bei großen Sanierungen geeignete hochwertige Lüftungsanlagen eingebaut werden“, so Tappler.

Die Kosten würden sich schnell amortisieren, das habe sich in Schweden und Dänemark gezeigt, wo solche Systeme schon länger verwendet werden. „Einfach deswegen, weil Krankenstände sehr viel Geld kosten, und zwar nicht nur jene der Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch der Kinder, die wiederum Infektionen nach Hause zu Eltern und Großeltern tragen“, beschreibt der Mitbegründer des Arbeitskreis Innenraumluft im Klimaministerium. Er hofft auf breite Installation von Lüftungsanlagen in Österreich – auch, um für weitere Krankheitswellen – egal mit welchem Erreger – vorbereitet zu sein.

Auf Solidarität aufbauen

Eine Pandemie ist immer eine Ausnahmesituation – aber auch solche Extremsituationen verlaufen nach Mustern, wie die Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack von der Universität Wien schildert. Am Beginn steht eine „generalisierte Solidarität, die sich auf fast alle anderen Menschen bezieht.“ Nach den ersten Pandemiemonaten hat das Vertrauen in die Politik abgenommen, und parallel dazu hat sich auch der Zusammenhalt in der Gesellschaft geändert: „Die Menschen waren nach wie vor solidarisch, aber eher mit Leuten, die ähnlich denken, sich ähnlich verhalten, sich gleich positionieren wie sie selbst.“

Auch das sei typisch, so die Politologin, in Österreich sei aber hinzugekommen, dass Solidarität zunehmend als rhetorisches Instrument wahrgenommen wurde, mit dem Politikerinnen und Politiker ein gewisses Verhalten einfordern, selbst aber zu wenig dafür tun. Und das sei eine der Hauptlektionen der Pandemie, die Barbara Prainsack als Vorsitzende des Europäischen Ethikrats auch der Europäischen Kommission kommuniziert hat: „Wenn man Solidarität einfordert, muss man sich auch selbst daran halten.“

Ausspielen von Jung gegen Alt und heftige Debatten über die Impfpflicht, gegen die sich Prainsack immer positioniert hat – der Zusammenhalt wurde immer wieder auf die Probe gestellt, trotzdem sei Österreich aber im internationalen Vergleich kein extrem polarisiertes Land. Und darauf könne man aufbauen, so die Politikwissenschaftlerin, zum Beispiel jenen Menschen gegenüber, für die Covid und auch andere Krankheiten ein hohes gesundheitliches Risiko bergen. Darauf auch drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie nicht zu vergessen, sollte eine weitere Lehre sein.