Bundeskanzler Karl Nehammer
IMAGO/SEPA.Media/Martin Juen
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CoV-„Dialogprozess“

Kritik an Nehammer-Sager zu „Expertenhörigkeit“

Der von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angekündigte Coronavirus-„Diaologprozess“, um etwaige Risse in der Gesellschaft zu kitten, hat eine breite Debatte angestoßen. Fachleute störten sich an der Aussage von Nehammer, „expertenhörig“ gewesen zu sein.

Der Bundeskanzler hatte am Mittwoch überraschend angekündigt, nach drei Jahren CoV-Pandemie nun die „Hand auszustrecken“. Geschehen soll das in einem „Dialogprozess“, der um Ostern starten soll. Einzelheiten sparte Nehammer zwar aus, sagte aber, dass „alles“ aufgearbeitet werden soll.

Laut „Standard“ betonte der Kanzler auch, dass man „expertenhörig“ gewesen sei und deshalb Fachleute nun erklären sollten, „warum sie zu dieser Entscheidung gekommen sind“. Diese Aussage sorgte in sozialen Netzwerken für Verwundung und teils scharfe Kritik. Damit wolle Nehammer die Verantwortung der Coronavirus-Politik auf die Wissenschaft abschieben, so der Tenor.

Aussage „skandalös“

Der renommierte Statistiker Erich Neuwirth zeigte sich verwundert über Nehammers Äußerung. „Politiker sollten niemandem hörig sein, vor Entscheidungen, die sie treffen, von den Experten für sie verständliche Erklärungen einfordern, nicht erst im Nachhinein für die Entscheidungen, die sie – und nicht die Experten – getroffen haben, Erklärungen von den Experten verlangen“, so Neuwirth.

Genetiker Ulrich Elling bezeichnete die Aussage als „skandalös“. Sie zeuge von einem Missverständnis der Rolle von Experten. „Politiker – und nur diese – entscheiden. Denn Experten können und sollen per Definition gemäß ihrer Expertise sprechen, nicht viele Gesellschaftsaspekte integrieren“, schrieb Elling auf Twitter.

Auch Lungenfacharzt und Coronavirus-Experte Arschang Valipour äußerte sich kritisch. Es sei ärgerlich, weil die Politik „oft“ eben nicht auf Experten und Expertinnen gehört habe. „Ist schon befremdlich, jetzt Gräben in der Gesellschaft auf Expert*innen zu schieben.“

ÖVP gegen FPÖ um „beste“ Aufarbeitung

Auf politischer Ebene lieferten einander ÖVP und FPÖ via Presseaussendungen ein Match. Während die FPÖ auf die Einsetzung eines Coronavirus-Untersuchungsausschusses pochte und dabei die „Versöhnungsoffensive“ der ÖVP-Grünen-Regierung kritisierte, warf die ÖVP den Freiheitlichen vor, „noch tiefere Gräben“ in der Gesellschaft zu reißen.

Die FPÖ versuche, „mit diesem sehr ernsten Thema politisches Kleingeld zu schlagen“, hielt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker fest. „Die Bundesregierung hingegen streckt die Hand zu all jenen aus, die sich durch die Pandemie nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft willkommen gefühlt haben.“

Hingegen meinten FPÖ-Chef Herbert Kickl und FPÖ-Generalsekretäre, dass eine „echte Aufklärung“ nur in einem Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht stattfinden könne. „ÖVP, Grüne und die Corona-Mittäter SPÖ und NEOS sind herzlich eingeladen, diesen Anträgen zuzustimmen.“