Szene aus der „Universum History“-Spieldoku „Geheimsache Kopernikus – Triumph der Wissenschaft“
Universum History
Universum History
Kopernikus

Der Siegeszug einer absurden Idee

Am 19. Februar jährt sich der Geburtstag des Astronomen Nikolaus Kopernikus zum 550. Mal. Absurd fanden Zeitgenossen seine Theorie, wonach sich die Erde um die Sonne drehe. Kopernikus steht für die Entstehung der modernen Wissenschaft – gegen die heute wie damals gerne der „gesunde Menschenverstand“ ins Feld geführt wird.

Kopernikus war davon überzeugt, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und als er kurz vor seinem Tod im Alter von 70 Jahren seine Berechnungen im Jahr 1543 in Druck gab, war er sich darüber bewusst, dass seine Erkenntnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte widersprechen. Kopernikus war katholischer Priester aus Überzeugung und widmete seine Publikation Papst Paul III.

Kirche als Ort der Wissenschaft

Kopernikus wurde am 19. Februar 1473 in Thorn im heutigen Polen geboren und war zeitlebens ein Mann der Kirche. Seine Geschichte veranschaulicht die widersprüchliche Rolle der Kirche bei der Entstehung der modernen Wissenschaften. „In der Astronomie spielte die Kirche in der frühen Neuzeit eine sehr wichtige Rolle. Sie hat neue Erkenntnisse hervorgebracht und Forschung unterstützt und finanziert“, sagt die Historikerin Doris Gruber von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Gleichzeitig sei es bis ins 18. Jahrhundert unmöglich gewesen, kirchlichen Dogmen öffentlich zu widersprechen. „Nichts war ohne Gott denkbar. Alle Theorien mussten als vereinbar mit der christlichen Religion beschrieben werden“, so Gruber. Doch Neugierde und Naturerforschung seien in der Neuzeit positiver gesehen worden als im Mittelalter: „Das Studium der Natur könne auch etwas über die Größe Gottes aussagen, das war die Auffassung.“ Religion und Wissenschaft waren nicht klar voneinander getrennt.

„Universum History: Geheimsache Kopernikus – Triumph der Wissenschaft“

Die revolutionären Erkenntnisse von Nikolaus Kopernikus stellen im 16. Jahrhundert das Weltbild auf den Kopf: Die Erde dreht sich um die Sonne – und nicht umgekehrt.

Ignorierte Rechenspiele

Führte das Studium der Natur allerdings zu Erkenntnissen, die nicht mehr so einfach mit der Bibel in Einklang zu bringen waren, konnte es gefährlich werden. Im Fall Kopernikus behalf sich die Kirche damit, die neuen Erkenntnisse als reine Rechenmodelle darzustellen. Die Vorstellung, dass sich die Erde um die Sonne drehen könnte, war für die Kirche zu diesem Zeitpunkt noch keine wirkliche Bedrohung, weil sie als absurd galt und sie kaum jemand ernst nahm.

ORF-Sendungshinweise

„Universum History“ zeigt die Doku „Geheimsache Kopernikus – Triumph der Wissenschaft“, 17.2., 22.35 Uhr, ORF2. Dem Thema widmen sich auch Beiträge in „Aktuell nach eins“, 17.2., 13.15 Uhr, ORF2 und in „Vorarlberg heute“, 17.2., 19.00 Uhr, ORF2.

Denn sie widersprach nicht nur der Bibel, sondern auch dem gesunden Menschenverstand: Von der enormen Geschwindigkeit, mit der sich die Erde bewegen müsste, war nichts zu spüren. Der Boden unter den Füßen blieb stabil. Erst als sich die Stimmen mehrten, wurde das heliozentrische Weltbild zur Gefahr für die Kirche. So kam es auch erst 90 Jahre nach der Veröffentlichung von Kopernikus zu einem aufsehenerregenden Prozess gegen Galileo Galilei, weil dieser darauf bestand, dass Kopernikus recht gehabt hatte.

Mehr Prozess als Revolution

„Die Kopernikanische Wende war keine plötzliche Revolution, sondern ein langfristiger Prozess“, sagt die Historikerin Gruber. Kopernikus hatte Wegbereiter, die annahmen, dass sich die Erde um die Sonne drehte. Er war der Erste, der eine mathematisch fundierte Theorie dazu vorlegte. „Doch er löste nur einen Teilaspekt eines größeren Komplexes, er konnte nicht alles mathematisch klären, etwa wie sich die Planeten bewegten. Und es blieb eine Theorie, die noch in Konkurrenz zu vielen anderen Theorien stand“, so Gruber.

Für eine weitere Beweisführung war etwa die Erfindung des Teleskops 50 Jahre nach Kopernikus notwendig. Bis ins frühe 17. Jahrhundert war das heliozentrische Weltbild eine Minderheitenmeinung, die erst durch die Berechnung der elliptischen Kometenbahnen durch Johannes Kepler neuen Aufwind erfuhr und sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts langsam durchsetzte. „Heute in der Rückschau beschränken wir die neuen Erkenntnisse gerne auf Einzelpersonen, tatsächlich standen aber ein gemeinsames Nachdenken vieler Gelehrter und viele kleine Schritte dahinter, die dann auf wenige Personen reduziert werden“, so Gruber.

Universum History erzählt in „Geheimsache Kopernikus – der Triumph der Wissenschaft“ auch von seiner verbotenen Liebe zu Anna Schilling, seiner loyalen Gefährtin.
ORF/Gebrüder Beetz
„Universum History“ erzählt auch von Kopernikus’ verbotener Liebe zu Anna Schilling, seiner loyalen Gefährtin

Beschleunigter Wissenswandel durch neue Medien

Dass das gemeinsame Nachdenken über die Astronomie in der frühen Neuzeit florierte, wurde durch die Erfindung des Buchdrucks begünstigt. Die Historikerin erklärt: „Man konnte schneller neue Erkenntnisse austauschen. Wenn man mehr Zugang zu neuer Forschung hat, kann man auch schneller reagieren und interagieren. Ähnlich wie die heutige Zeit war die frühe Neuzeit eine Zeit des beschleunigten Wissenswandels durch neue Medien.“

Und ähnlich wie heute sei dieser Wissenswandel „mitunter schwer zu verarbeiten“ gewesen. „Es gab schon damals Wissenschaftsskepsis. Damals wie heute haben sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen ausgesucht, welche Autoritäten sie als wichtig erachten. Spielte in der frühen Neuzeit die Bibel eine sehr große Rolle in Bezug auf Wissenschaftsskepsis, sind es heute bestimmte Medienkanäle.“ Und auch der „gesunde Menschenverstand“, der in der frühen Neuzeit gegen die Drehung der Erde um die Sonne sprach, spielt heute noch eine große Rolle, wie eine aktuelle Studie der ÖAW zeigt.

Langsame Entzweiung von Astronomie und Astrologie

Die Kopernikanische Wende war eine zweifache Wende: Sie bedeutete einen Paradigmenwechsel innerhalb der Wissenschaft von einem geozentrischen zu einem heliozentrischen Weltbild. Doch sie stand auch für eine wesentlich größere Wende, in der sich die Deutungshoheit darüber, was als belegtes Wissen galt, langsam von religiösen Erklärungsansätzen zur modernen Wissenschaft mit ihren spezifischen Erkenntnisregeln verlagerte.

Auch das war ein jahrhundertelanger Prozess, erklärt die Historikerin: „Selbst Astrologie und Astronomie waren in der frühen Neuzeit nicht klar getrennt. Der Glaube an die Astrologie hat sogar neue astronomische Erkenntnisse mitbefördert. Man wollte die Sterne deuten und dafür brauchte man möglichst genaue Daten über die Lage, den Stand und den Verlauf von Planeten. Diese Daten ermöglichten wiederum neue Erkenntnisse.“

So war es selbstverständlich, dass es auch Johannes Kepler fast hundert Jahre nach Kopernikus als Teil seines Aufgabenbereiches verstand, Horoskope zu erstellen. Beide waren sie tief verwurzelt in einem religiösen und magischen Denken und doch Teil einer Wende, deren Folgen sie nicht absehen konnten. Diese ist erst in der Rückschau als solche erkennbar.