Zwei Elche stehen im Regen in ihrem Gehege im Wildpark Schorfheide
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Archäologie

Prähistorische Elchjagd auf Dachstein

In der Bronzezeit hat es auf dem Dachstein-Plateau nicht nur Almwirtschaft gegeben, es wurden dort auch Elche gejagt. Das konnten Forscherinnen und Forscher nun anhand von Elchknochen nachweisen, die bereits früher in Höhlen auf dem Hochplateau gefunden wurden.

Bisher unentdeckte Schnittspuren und Einschusslöcher an den Knochen zeugen von Jagd und Nutzung des Fleischs. Vermutet wird ein Zusammenhang zwischen der Elchjagd und der nahe gelegenen prähistorischen Salzmetropole Hallstatt.

Zahlreiche Elchfunde in den Alpen

Die Archäozoologin Kerstin Pasda von der Universität Erlangen-Nürnberg ist über Knochenfunde in den Bayerischen Alpen zur Untersuchung in der Dachstein-Region gekommen, wie sie kürzlich bei einem Vortrag der Bioarchäologischen Gesellschaft Österreichs erklärte.

Eine Privatperson hatte in einer Schachthöhle in der Nähe von Lenggries (Bayern) Elchknochen entdeckt, die Pasda und Kollegen auf die Jüngere Eisenzeit, also auf ein Alter von rund 2.500 Jahren, datierten. Die Wissenschaftlerin wies an einem Schulterblatt ein Einschussloch sowie Schnittspuren auf Knochen nach. Der Elch dürfte also gejagt und sein Fleisch genutzt worden sein.

Bei weiteren Recherchen zeigte sich, dass bereits zahlreiche Elchfunde aus Höhlen der Alpen bekannt sind, allerdings seien sie bisher nicht mit menschlichem Einfluss in Verbindung gebracht worden. „Ich dachte mir, das kann doch nicht sein, dass es so viele bescheuerte Elche gibt, die in Höhlen fallen“, sagte Pasda.

„Weil im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) viele Elchfunde archiviert sind, hat sich dann der Fokus unserer Forschung auf den österreichischen Raum verschoben“, sagte Robert Schumann von der Universität Heidelberg. Gemeinsam mit Pasda nahm er die Knochen von elf Elchen aus sechs Höhlen in Österreich genauer unter die Lupe und ließ Radiokarbondatierungen vornehmen.

Eindeutige Jagdspuren

Sie fanden auf diesen weder Spuren von Benagung durch Raubtiere noch „Sedimentkratzer“, die darauf hindeuten, dass Überreste der Elche an der Oberfläche lagen und schließlich in die Schächte hineingerutscht sind. Stattdessen wiesen sie an fünf Schulterblättern Einschusslöcher und an zahlreichen Knochen Schnittspuren nach – also eindeutige Hinweise auf Jagd. Das war auch bei Elchknochen aus drei Höhlen auf dem Dachstein-Plateau der Fall, die auf die Bronzezeit datiert wurden.

Das weckte wiederum das Interesse von Kerstin Kowarik, assoziierte Mitarbeiterin der Prähistorischen Abteilung des NHM. Sie erforscht die Entwicklung der Mensch-Umwelt-Beziehung durch die Jahrtausende. Zuletzt wurde unter ihrer Leitung im Projekt „Facealps“, finanziert durch das „Earth System Science“-Programm der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt in der Hallstatt-Region über die letzten 3.500 Jahre untersucht.

Salzmetropole Hallstatt

In Hallstatt wurde in der Bronzezeit, etwa seit dem 14. Jh. vor Christus, im nahezu industriellen Ausmaß Salz abgebaut – täglich bis zu 1,5 Tonnen. Das erforderte entsprechende Ressourcen, um die Bergleute mit Nahrung zu versorgen. Doch die bronzezeitliche Salzmetropole verfügte nur über eine geringe landwirtschaftlich nutzbare Fläche.

Intensive Tiernutzung im Hallstätter Hochtal ist bereits bekannt. „Die Fleischwirtschaft beschränkt sich aber im Wesentlichen auf Schweine, deren Fleisch in großen Mengen in mehreren Surbecken mit Salz haltbar gemacht wurde“, so Kowarik. Aber auch das Dachstein-Plateau dürfte für Almwirtschaft genutzt worden sein.

Dort weidende Rinder, Schafe und Ziegen seien wahrscheinlich nicht nur für Milch, Käse und Fleisch genutzt worden, auch der Bergbau brauchte Leder, Sehnen usw. Der Verein für alpine Forschung ANISA hat auch rund 40 Strukturen prähistorischer Almhütten auf dem Hochplateau nachgewiesen, Einzelfunde deuten auf ein Wegesystem dort hin.

Keine Muster bei Skelettfunden

Wild als mögliche Nahrungsressource habe bisher allerdings eine marginale Rolle bei den Überlegungen gespielt, „nicht zuletzt deshalb, weil sich Jagd bis dato kaum nachweisen ließ“. Deshalb ist der Nachweis der bronzezeitlichen Elchjagd auf dem Dachstein-Plateau für die Fachleute „sehr spannend“.

Pasda untersuchte auch, ob ein Muster erkennbar ist, welche Skelettteile in den Höhlen gefunden wurden – fand allerdings keines. „Das hängt vielleicht auch damit zusammen, was von den Sammlern aus den Höhlen mitgenommen wurde und was schließlich im Museum landete“, so die Forscherin.

Sie hatte bereits früher Karibujäger in Grönland begleitet und dokumentiert, wie diese die Tiere zerlegen. Mangels Straßen müssen die Jäger dort kilometerweit alles selbst tragen und nehmen daher nur bestimmte Teile mit, den Rest lassen sie liegen. Beim Elch aus der Schachthöhle in Lenggries fehlen genau jene Knochen, die auch die grönländischen Jäger abtransportieren.

Interpretation der Funde offen

Auf dem Dachstein-Plateau ist noch fraglich, warum man die Knochen nicht einfach liegen ließ, sondern offensichtlich mit Absicht in die Höhlen warf. „Das bietet viel Spielraum für Interpretation“, so Kowarik. Es könnte sein, dass man damit verhindern wollte, Raubtiere anzulocken, wenn in der Umgebung Haustiere weiden. Es könnten aber auch Opfer gewesen sein. In Hallstatt gebe es bisher aber noch keinen Nachweis von Höhlenheiligtümern und auch in den Höhlen auf dem Dachstein-Plateau keine weiteren archäologischen Funde.

Die Fachleute wollen nun einmal ihre Erkenntnisse publizieren. Sie haben aber auch zahlreiche weiterführende Fragen. So gebe es in vielen lokalen Museen und Archiven weitere Elchfunde aus der Region, und es wäre interessant, auch diese auf Hinweise auf menschliche Aktivität zu untersuchen. Zu prüfen wäre zudem, ob sich auch die Überreste anderer Tiere in den Höhlen finden, und – falls vorhanden – diese zu datieren und ebenso auf Jagdspuren zu untersuchen, „um ein rundes Bild von den Aktivitäten am Dachstein zu bekommen“.