Jemand tippt in einen Laptop, dahinter eine Uhr
Quality Stock Arts – stock.adobe
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Viertagewoche

Gesünder und genauso produktiv

Deutlich weniger Stress und weniger Burn-out-Fälle bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, keine Umsatzeinbrüche bei den Unternehmen: Das ist das Ergebnis eines Pilotprojekts in Großbritannien, für das über 60 Unternehmen die Viertagewoche eingeführt haben.

Dabei wurde die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden reduziert – bei gleichbleibendem Gehalt. Wie sich das auf die rund 2.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkte, beschreibt ein Team um den Soziologen Brendan Burchell von der Universität Cambridge und von der britischen Lobbyplattform „4 Day Global Week“. Die Ergebnisse des nach Eigenangaben bisher größten Versuchs einer Viertagewoche wurden am Dienstag von der unabhängigen Forschungsorganisation Autonomy publiziert.

Die Unternehmen, die an dem Versuch teilnahmen, stammten aus diversen Branchen. So waren unter anderem Personen von Finanzdienstleistern, Animationsstudios über die IT-Branche und das Gesundheitswesen bis zu einem örtlichen Fish-and-Chips-Imbiss vertreten. Die Mitarbeiterzahl variierte abhängig vom Betrieb zwischen weniger als 25 und bis zu 1.000 Personen.

„Voller Erfolg“

„Der Versuch war ein voller Erfolg“, so das Fazit der Autoren und Autorinnen. 39 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, dass ihr Stresslevel sank. Auch die Wahrscheinlichkeit eines Burn-out sank nach Ende der Studie um rund 70 Prozent. Die Angestellten konnten besser schlafen, hatten weniger Angstzustände und bemerkten eine Verbesserung ihrer Work-Life-Balance. Mehr als die Hälfte gaben an, ihre Arbeit besser mit familiären und sozialen Verpflichtungen vereinbaren zu können.

Über ein Fünftel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern konnten Betreuungskosten durch die geringeren Arbeitsstunden reduzieren. Sie konnten auch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, besonders stark war das bei Vätern der Fall. Eltern mit älteren Kindern gaben weiters an, dass sie vermehrt Zeit für sich selbst hatten. Auf die Aufteilung der Hausarbeit zwischen Männern und Frauen wirkte sich die verringerte Arbeitszeit freilich kaum aus.

Ein gewonnener Tag

Auch das dreitägige Wochenende fanden die meisten gut. „Viele beschrieben, dass sie zu Hause leichter abschalten oder durchatmen können. Eine Person erzählte uns, dass ihre ‚Sonntagsangst‘ verschwunden sei“, meinte die Studienkoautorin und Cambridge-Doktorandin Niamh Bridson Hubbard.

Den gewonnenen Tag nutzten die meisten Angestellten, um Verpflichtungen im Haushalt nachzugehen, etwa Wäsche zu waschen und einkaufen zu gehen. Die eigentlichen Wochenendtage stünden dann für Aktivitäten, Zeit mit der Familie und zum Entspannen frei.

„Es fühlt sich an, als würdest du dich auf das Wochenende einstimmen. Wenn dann der Samstag und Sonntag kommen, fühlt es sich an, als hätte ich meine Aufgaben bereits erledigt, das Auto ist gewaschen, der Garten aufgeräumt“, sagte eine Person der Studie.

Auswirkungen auf die Unternehmen

Die reduzierte 32-Stunden-Woche war nicht für alle Firmen umsetzbar, weshalb sich eine durchschnittliche Arbeitswoche von 34 Stunden ergab. Die Studie nennt als einen möglichen Grund dafür, dass manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Start des Experiments mehr als 40 Stunden pro Woche gearbeitet hatten.

„Vor dem Versuch bezweifelten viele, dass die Produktivitätssteigerung die Arbeitszeitverkürzung ausgleichen würde – aber genau das haben wir herausgefunden“, sagte Burchell. Die Umsätze der Unternehmen blieben laut Studie „im Großen und Ganzen gleich“, es gab sogar eine durchschnittliche Steigerung von 1,4 Prozent während des Versuchszeitraums.

Die Zahl der Kündigungen sank in dem halben Jahr um mehr als die Hälfte, jene der Neuanstellungen um mehr als ein Drittel. Ein Drittel der Angestellten machte außerdem weniger Überstunden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meldeten zwei Drittel weniger Krankheitstage.

Umsetzung der 32-Stunden-Woche

Wie die 32 Arbeitsstunden in der Woche aufgeteilt wurden, konnten die Unternehmen selbst entscheiden. Während sich viele Firmen dazu entschlossen, einen freien Tag für alle zu geben, gab es auch andere Varianten. Betriebe etwa, die montags bis freitags besetzt sein müssen, konnten ihre Angestellten in zwei Gruppen teilen: Die eine Gruppe hatte montags frei, die andere freitags, und jede Woche wurde gewechselt.

Die Unternehmen konnten die Umsetzung der 32-Stunden-Woche also an ihre Bedingungen anpassen, Konzepte entwickeln und während des Zeitraumes Methoden wechseln oder ausbauen. „Das Pilotprojekt ermöglichte es unseren Forschern, über die Erhebungen hinauszugehen und im Detail zu untersuchen, wie die Unternehmen es in der Praxis umsetzen“, meinte David Frayne, Studienkoautor und Soziologe an der Universität Cambridge.

Vier Tage unter Bedingungen

Doch nicht für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie verringerte sich die Arbeitszeit tatsächlich: 15 Prozent gaben an, während des Versuchszeitraums sogar mehr gearbeitet zu haben – also auch am vermeintlich neuen „freien Tag“. Vor allem bei kreativen Aufgaben sei die kürzere Arbeitswoche und damit verbundene Strukturierung schwer umsetzbar, da Ideen und neuen Konzepte Zeit zum Ausbauen und Entwickeln brauchten, heißt es in der Studie.

Einige Firmen gaben an, die reduzierte Arbeitswoche nur unter Bedingungen durchzuführen. So wurden für manche Angestellte Urlaubstage gekürzt, oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten kurzfristig doch in die Arbeit beordert werden. Es gab auch das Konzept der „bedingten“ Viertagewoche, eine Reduzierung der Stunden nur dann, wenn die Leistungsziele erreicht wurden.

Weitere internationale Versuche

Die englische Studie zur verkürzten Arbeitswoche bei gleichbleibendem Lohn ist nicht die erste ihrer Art, bereits bei Versuchen in Irland und den USA kam es zu ähnlichen Ergebnissen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gaben dort an, gesünder und zufriedener zu sein, und sagten, dass sich die Arbeitskultur positiv verändert habe. Das gemeinsame Ziel, die Viertagewoche umzusetzen, vermittelte den Arbeitnehmern ein Gefühl der Wertschätzung ihrer Arbeitgeber.

„Wenn wir die Arbeitgeber fragen, sind viele von ihnen überzeugt, dass die Viertagewoche kommen wird. Für mich persönlich war es sehr ermutigend, in den letzten sechs Monaten mit so vielen optimistischen Menschen zu sprechen. Eine Viertagewoche bedeutet für so viele Menschen ein besseres Arbeits- und Familienleben“, äußerte sich dazu Burchell.

Beispiele auch in Österreich

Vor allem für Jugendliche wird die Work-Life-Balance wichtiger und die Viertagewoche eine beliebte Form des Berufslebens. Auch in Österreich wird ein reduzierter Stundenbetrieb bereits angeboten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa des Unternehmens Tractive in Pasching in Oberösterreich arbeiten an vier Werktagen 35 Stunden.

International wird das Konzept der Viertagewoche weiterentwickelt. Zur Studie in England sagte Frayne: „Wir fühlen uns durch die Ergebnisse sehr ermutigt. Sie zeigen, dass die Unternehmen die Viertagewoche von einem Traum in eine realistische Politik mit vielen Vorteilen verwandeln.“

Über 90 Prozent der teilnehmenden Firmen in Großbritannien wollen die 32-Stunden-Woche auch nach Studienende fortführen, 18 Unternehmen haben das als dauerhafte Änderung bereits bestätigt.