Ein Häufchen Erythrit
zakiroff/stock.adobe.com
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Zuckerersatz

Erythrit könnte dem Herz schaden

Erythrit gilt als eine gesündere Alternative zu Zucker und auch zu anderen gängigen Süßstoffen. Laut einer neuen Studie könnte die Substanz aber womöglich schädlich für das Herz sein, zumindest gilt das für Personen mit bestimmten Vorerkrankungen.

Zuviel Zucker ist ungesund. Der übermäßige Konsum schadet nicht nur den Zähnen, sondern auch der Figur. Er verändert den Stoffwechsel; das kann langfristig zu Typ 2-Diabetes führen sowie Herzkreislauferkrankungen und Krebs begünstigen. Wenn man nicht auf Schokolade, Gummibärchen und süße Getränke verzichten möchte, kann man aber zu Diätprodukten greifen, die mit Zuckeralternativen gesüßt sind. Das wird auch Menschen empfohlen, die bereits Diabetes haben oder mit Übergewicht kämpfen.

In den letzten Jahren häufen sich allerdings die Hinweise, dass auch gängige Süßstoffe wie etwa Aspartam oder Saccharin der Gesundheit schaden könnten: Eine Studie aus dem vergangenen Jahre hat beispielsweise ergeben, dass diese Zuckeralternativen den Blutzucker ebenfalls beeinflussen. Eine weitere Arbeit stellte ein erhöhtes Krebsrisiko fest. Es gibt außerdem den Verdacht, dass die kalorienfreien Ersatzstoffe dick machen.

Gesunder Zuckeraustauschstoff?

Als gesündere Alternative zu den gängigen Süßstoffen werden daher von der Diätindustrie seit Kurzem vermehrt Zuckeraustauschstoffe wie Erythrit, Sorbit und Xylit propagiert. Diese Zuckeralkohole sind chemisch anders aufgebaut, benötigen daher kein Insulin für die Verstoffwechslung. In größeren Mengen können sie allerdings abführend wirken. Am besten schneidet in dieser Hinsicht Erythrit (auch Erythritol oder E 968) ab, weswegen es als besonders verträglich gilt und immer beliebter wird.

Seine Süßkraft entspricht zu etwa 50 bis 70 Prozent jener von Zucker. Kleine Mengen der Substanz kommen natürlicherweise in Obst (z.B. Weintrauben) und fermentierten Lebensmitteln vor. Dennoch zählt es als Zusatzstoff. Bewertungen des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der Europäischen Union sowie zuletzt im Jahre 2015 der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergaben keine gesundheitlichen Bedenken gegen eine Verwendung. Nur auf die abführende Wirkung des Zuckeraustauschstoffes muss hingewiesen werden.

Herzinfarkte und Schlaganfälle

Wie eine soeben in „Nature Medicine“ erschienene Studie nun nahelegt, könnte auch Erythrit unerwünschte Nebeneffekte haben. Die Forscherinnen und Forscher um Stanley Hazen von der Cleveland Clinic haben die Blutproben von 1.157 Probanden und Probandinnen untersucht, die ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen hatten. Bei jenen Personen, die in einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren schwerwiegende Komplikation erlitten haben, etwa einen Infarkt oder einen Schlaganfall, stieß das Forschungsteam auf eine erhöhte Konzentration von Zuckeralkoholen, darunter insbesondere Erythrit. Ein möglicher Zusammenhang wurde in zwei weiteren Stichproben belegt: 2.149 Personen aus den USA, 833 aus Deutschland. In beiden Kohorten gab es ebenfalls eine hohe Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Risikofaktoren wie Typ 2-Diabetes und Fettleibigkeit.

Laboruntersuchungen ergaben darüber hinaus, dass Erythrit im Blut oder bei Blutplättchen zu einer beschleunigten Gerinnungsbildung führt. Abschließend wurde noch eine Interventionsstudie mit acht gesunden Personen durchgeführt, die ein mit 30 Gramm Erythrit gesüßtes Getränk zu sich nahmen. Dieser Gehalt ist laut der Studie vergleichbar mit einer Dose handelsüblichem künstlich gesüßten Getränk oder 500 Milliliter Diät-Eiscreme. Tatsächlich erhöhte der Verzehr den Erythrit-Spiegel im Blut über einen Zeitraum von zwei Tage so sehr, dass er laut den Forscherinnen und Forschern weit über der Schwelle lag, bei der zuvor signifikante Hinweise auf eine veränderte Blutplättchenaktivität beobachtet wurden.

Dünne Datenlage

Wie Harald Schulze von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gegenüber dem deutschen Science Media Center erklärt, ist das Thema grundsätzlich sehr wichtig, weil die Datenlage dazu insgesamt sehr dünn ist. Die konkrete Studie bewertet er aber sehr vorsichtig: „Aus der Studie kann aus meiner Sicht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum von Zuckerersatzstoffen (wie Erythrit) und einem erhöhten Risiko für schwere kardiale Komplikationen gezogen werden.“ Es fehle eine Kontrollkohorte und störende Einflussfaktoren seien zu wenig berücksichtigt.

Auch andere befragte Experten und Expertinnen befürchten, dass das statistische Studienergebnis auf solche Störgrößen und auf Scheinkorrelationen beruhen könnten, so auch Stefan Kabisch von der Charité Berlin. Ihm zufolge zeigen jedoch die Laborversuche, dass der Zuckeraustauschstoff tatsächlich bestimmte Gerinnungsprozesse stimuliert. „Im Prinzip ist das Risiko also wahrscheinlich für alle Menschen generalisierbar“, so Kabisch. Für gesündere Menschen sei der Risikozusammenhang aber sehr wahrscheinlich geringer.

Moderater Konsum

Auch der Stoffwechselmediziner betont, wie wichtig es sei, solche Zusatzstoffe besser zu untersuchen: „Die Publikation ist ein wichtiger, ja überfälliger Impuls dafür, auch bereits zugelassene Nahrungsmittelzusatzstoffe wie Süßungsmittel intensiver zu beforschen und dabei auch mechanistische Experimente im Zellmodell, an Versuchstieren und mit menschlichen Probanden einzubeziehen.“

Kabisch unterstreicht allerdings: „Für eine Warnung vor Zuckerersatzstoffen ist es zu früh. Der Wechsel zurück zum Zucker ist vermutlich nicht der gesündere Weg.“ Entscheidend – wie so oft in Ernährungsfragen – ist wohl das Maß. Das meint auch Hans Hauner von der Technischen Universität München: „Ein mäßiger Konsum von Zucker von weniger als fünf bis zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr, also 25 bis 50 Gramm Zucker täglich für einen erwachsenen Menschen, ist akzeptabel und unbedenklich.“ Bei den Zuckerersatzstoffen gebe es derzeit noch viele widersprüchliche Kurzzeitbefunde und wenige Wissen über Langzeitfolgen. „Aber auch hier gilt derzeit, dass ein moderater Verzehr damit gesüßter Lebensmittel und Getränke nicht ‚toxisch‘ ist.“