Ein Arzt zeigt im Vivantes Klinikum Neukölln auf das Röntgenbild einer Lunge
APA/dpa/Silas Stein
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Long Covid

Ansatz für Therapie von Lungenfibrose

Bei der Lungenfibrose wird Gewebe, das eigentlich die Atmung bewerkstelligt, zunehmend in Narbengewebe umgewandelt. Im Zusammenhang mit Long Covid laufen weltweit Millionen Menschen Gefahr, eine „Covid-Lungenfibrose“ zu entwickeln. Ein Forschungsteam hat nun einen Ansatz für eine Therapie gefunden.

Aufgrund seiner verschiedenartigen Erscheinungsformen wird Covid-19 mittlerweile als „Multiorgankrankheit“ angesehen. Der Schwerpunkt liegt aber weiter auf den Auswirkungen auf die Atemwege. Bisher würden allerdings noch viele tiefgehende Einblicke in die Krankheitsentwicklung im menschlichen Lungengewebe nach einer schweren Covid-19-Erkrankung fehlen, schreibt ein Team um die aus Österreich stammende Wissenschaftlerin Gerlinde Wernig von der Universität Stanford im Fachblatt „PNAS“. Das gelte auch für die Entstehung der Covid-Lungenfibrose.

Weniger Luftaustausch in der Lunge

Dabei geht die Anzahl jener Zellen zurück, die in der Lunge zentral am Luftaustausch beteiligt sind, während sich Bindegewebezellen – sogenannte Fibroblasten – nach und nach breitmachen, was eine Verschlechterung der Lungenfunktion mit sich bringt. Die Lungenfibrose bzw. -entzündung zählt neben anhaltender Müdigkeit, Muskelschmerzen und Kurzatmigkeit zu den häufigsten Symptomen, die mit dem noch schwer fassbaren Begriff „Long Covid“ zusammenhängen.

Während manche Menschen nach der Genesung von schweren Covid-Verläufen mit akuten Lungenproblemen weitestgehend wenig Folgeschäden davontragen, sieht das Bild bei anderen Patientengruppen deutlich anders aus. Hier brauche es therapeutische Ansätze, da sonst zeitversetzt zu den erhöhten Sterberaten infolge der Akuterkrankungen eine weitere Mortalitätswelle drohe, wie das Team um Gerlinde Wernig berichtet.

Überschießende Immunreaktionen

Bereits länger bekannt ist, dass überschießende Immunreaktionen in engem Zusammenhang mit schweren Covid-19-Verläufen mit starken Lungenschädigungen und Atemausfällen stehen. Im Gewebe von Menschen mit schweren Infektionen mit SARS-CoV-2 fanden die Forscher erhöhte Werte des Entzündungsregulators Interleukin-6 (IL-6). In seiner neuen Studie zeigte das Team nun, dass die sogenannte „JUN-CD47-IL-6-Achse“ an der Entwicklung von Lungenfibrose in Folge von „Long Covid“ beteiligt ist.

Durch die Infektion mit dem Virus wurden auch genetische Programme zur Bildung der Proteine JUN und CD47 aktiviert, die die Ausbreitung von Bindegewebe-Zellen begünstigen. So schützt etwa CD47 an der Oberfläche Gewebezellen vor Fresszellen, in dem es ihnen ein „Friss mich nicht“-Signal zukommen lässt.

Erfolgreiche Versuche mit Mäusen und Organoiden

Den Fibrose-Zustand konnte das Team in der Folge in Mäusen gezielt auslösen und auch in einer Nachahmung der menschlichen Lunge im Kleinformat (Organoid) nachbilden. Dann ging man daran, CD47 und IL-6 gezielt zu blockieren. Diese Kombinationstherapie verbesserte das Krankheitsbild im Mausmodell und im Organoid. So konnte laut den Forscherinnen und Forschern auch das ursprüngliche Gleichgewicht im Immunsystem wieder hergestellt und die Entzündung angehalten werden.

Das zeige, dass die „JUN-CD47-IL-6-Achse“ ein vielversprechendes Ziel für künftige Behandlungen der „Covid-Lungenfibrose“ darstellt, schreiben die Fachleute in ihrer Arbeit. Außerdem könnten die Erkenntnisse genutzt werden, um herauszufinden, ob Covid-19-Patienten Anzeichen beginnender Fibrose zeigen.