Die Turnerin Kim Bui bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio am Stufenbarren
AFP – MARTIN BUREAU
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„Anorexia athletica“

Wenn Leistungssport zu Essstörung führt

Bis zu zwanzig Prozent aller Leistungssportlerinnen und -sportler haben Essstörungen. Die „Anorexia athletica“ ist aber oft immer noch ein Tabuthema. Strengere Kontrollmechanismen und Beratungsangebote sollen etwas verändern.

„Das ist ein relevantes Problem“, sagte der Sportmediziner Wilhelm Bloch der Deutschen Presse-Agentur. Besonders anfällig seien Sportarten, in denen Gewicht und Ästhetik eine Rolle spielen, etwa Rhythmische Sportgymnastik, Skispringen oder Ausdauersportarten wie Langstreckenlauf.

Um auf die Risiken aufmerksam zu machen, brechen auch immer mehr Athleten und Athletinnen ihr Schweigen. Zuletzt sprach Ex-Turnerin Kim Bui in der ARD-Doku „Hungern für Gold“ über ihre Bulimie. Auch Formel-1-Pilot Valtteri Bottas, die französische Tennisspielerin Caroline Garcia und die Schweizer Biathletin Lena Häcki-Groß machten kürzlich öffentlich, von Essstörungen betroffen zu sein.

Leichtgewichte in der Leichtathletik

Die Debatte um Essstörungen im Leistungssport ist nicht neu. Schon vor rund 20 Jahren sorgten Bilder des abgemagerten Skispringers Sven Hannawald für Diskussionen. „Es musste einfach sein, weil in meinem Punkt war das Thema Gewicht das Erfolgsrezept“, sagt der Ex-Skispringer heute.

Der Ski-Weltverband FIS führte 2004 eine Regel für den Body-Mass-Index (BMI) ein. Ein zu niedriger BMI, der sich aus Gewicht und Größe errechnet, führt zur Verkürzung der Skilänge. „Ich würde mir schon wünschen, dass mehr Sportarten darauf achten und auch gewisse Gewichtslimits einführen“, sagte Bloch. „Aber es geht nicht in jeder Sportart so einfach wie im Skisprung über die Skilänge. Beim Laufen wird es schon wesentlich schwieriger.“

Besonders in der Leichtathletik beobachte er eine Tendenz zu immer dünneren Sportlern. „Wenn Athleten mit einem BMI von 15 oder 16 in einen Wettkampf gehen, ist das kritisch und auf Dauer gesehen eine Gefahr für die Gesundheit“, erklärte der Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln.

Krankheitsbild „Anorexia athletica“

Das Krankheitsbild dahinter: „Anorexia athletica“. „Die Anorexia athletica ist dadurch definiert, dass ich zu wenig Energie aufnehme, der Körper an Masse verliert und ich in ein kritisches Level komme, was meine Masse betrifft, um eine bessere Leistung zu erbringen“, erläuterte Bloch.

Doch das Abnehmen für sportliche Höchstleistungen kann langwierige Folgen haben: Das Ausbleiben der Regelblutung durch einen gestörten Hormonhaushalt bei Frauen, Probleme mit den Knochen einhergehend mit einem höheren Risiko von Osteoporose und einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit. Aber auch gastrointestinale Beschwerden oder organische Schäden bis hin zu Depressionen. Umso wichtiger sei daher die Aufklärung von Athleten und Betreuern, betonte Bloch.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will durch Tagungen für Mediziner, Trainer und andere Sportverantwortliche für das Thema sensibilisieren und durch jährlich verpflichtende Gesundheitschecks für Kaderathleten und -athletinnen die Fallzahlen verringern.