Multiple Sklerose

Studie zeigt Vorteile hoch wirksamer Therapie

In Österreich leben rund 13.500 Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Eine heimische Studie hat nun gezeigt, dass die Verwendung hoch wirksamer immunologischer Therapien für Patientinnen und Patienten mit schubförmiger MS deutliche Vorteile hat.

An der Studie waren Fachleute für Neurologie der MedUnis in Wien, Graz und Innsbruck und der Universitätskliniken in Linz und Salzburg beteiligt. Die Daten der Untersuchung stammten aus dem österreichischen MS-Behandlungsregister (AMSTR). Es ging dabei um die Frage, welche medikamentöse Behandlung bei schubförmig verlaufender Multipler Sklerose nach einer Ersttherapie mit Beta-Interferon oder Glatiramer-Azetat in der Routine außerhalb von klinischen Studien am wirksamsten ist.

Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten

Die beiden Arzneimittel sind schon seit Mitte der 1990er-Jahre in Verwendung und brachten ehemals in Studien eine Reduktion der MS-Schubrate um etwa ein Drittel. In der MS-Therapie stehen das Abblocken von akuten Phasen und die Verhinderung von weiteren solchen Krisen im Zentrum, weil mit jedem Krankheitsschub eine stärkere bleibende Behinderung verbunden sein kann.

Die Fachleute unter Michael Guger (Krankenhaus Steyr und Kepler Universität Linz) betonen in der Einleitung zu ihrer im „Journal of Neurology“ erschienenen Studie die weiteren Fortschritte in der MS-Therapie nach den „Plattform“-Substanzen Beta-Interferon und Glatiramer-Azetat: So zeigte sich mit dem vor allem entzündungshemmendem Medikament Dimethylfumarat und dem ursprünglich aus der Rheumatherapie stammenden Teriflunomid im Vergleich zu Placebo eine Verringerung der jährlichen MS-Schubrate um 44 bis 53 Prozent bzw. um 32 bis 36 Prozent. Beide Mittel werden für die Therapie leichter bis mittlerer Verlaufsformen der MS eingesetzt.

Neue Mittel für schwere Verläufe

Bei zwei oder mehr Krankheitsschüben pro Jahr spricht man hingegen von schwerer MS. Hier wurden in den vergangen zwei Jahrzehnten mit stark immunologisch wirksamen Substanzen wie Fingolimod (ursprünglich aus der Transplantationsmedizin), Ozanimod, Cladribin (Chemotherapeutikum) und den monoklonalen Antikörpern Natalizumab, Alemtuzumab oder Ocrelizumab neue Wirkprinzipien entwickelt und zur Behandlung schnell fortschreitender Multipler Sklerose zugelassen. Wissenschaftliche Belege, auf welche Alternativen man bei mangelnder Wirksamkeit der „Plattform“-Therapie am besten ausweichen sollte, waren aber bisher begrenzt.

Deutliche Verbesserungen

Die österreichischen Experten und Expertinnen verglichen in ihrer Arbeit deshalb die Daten von 669 MS-Patientinnen und -Patienten aus dem Therapieregister, die ab 2006 von Interferon-Beta oder Glatiramer-Azetat „horizontal“ auf eine Behandlung mit Dimethylfumarat oder Teriflunomid gewechselt hatten, mit 800 Kranken, die „vertikal“ auf eine der hoch aktiven immunologischen Therapien umgestellt wurden. Die Ergebnisse waren ziemlich eindeutig: Bei „horizontalem“ Wechsel der Therapie kam es jährlich im Mittel zu einer Schubrate von 0,39 solcher Episoden. „Vertikale“ Umstellung auf die hochwirksamen Therapien reduzierte die jährliche Schubrate auf weniger als die Hälfte (0,17).

Insgesamt kam es nach einer der statistischen Auswertungen bei einer Umstellung von der Basistherapie auf Demithylfumarat oder Teriflunomid im Vergleich zu den anderen Medikamenten um 86 Prozent seltener zu Schüben. Der Wechsel auf die effektiveren Therapien war auch mit einer um fast 80 Prozent geringeren weiteren notwendigen Veränderung der Behandlung verbunden.

Autoimmunerkrankung

Die Multiple Sklerose beginnt bei rund 85 Prozent der Betroffenen mit einem schubförmigen Verlauf. Weil die Gefahr besteht, dass sich Behinderungen mit jedem Schub weiter verschlechtern, wird in der Therapie möglichst nach einer Remission der Erkrankung ohne solche Komplikationen abgezielt.

Stark vereinfacht dargestellt handelt es sich bei der MS um eine Autoimmunerkrankung, bei der fälschlich aktivierte Fresszellen (Makrophagen) die Markscheiden (Isolierschicht) um die „Leitungen“ der Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark abbauen, wo auch Entzündungsherde entstehen. Das kann entweder die Nervenleitung zum Stillstand bringen oder zu „Kurzschlüssen“ führen. Auch nach Abklingen eines Schubs bleiben oft Narben zurück. In der nächsten Akutphase kann schließlich die Schädigung noch stärker werden.