Bienen Schwänzeltanz Studie
Dong Shihao
Dong Shihao
Soziales Lernen

Bienen nehmen Tanzstunden

Wenn eine Biene ihren Artgenossinnen von einer Nahrungsquelle berichtet, fängt sie an zu tanzen. Dabei profitiert sie von einer Art Tanzstunde im Bienenstock. Eine aktuelle Studie zeigt, dass unerfahrene Bienen Fehler machen, wenn sie die extrem komplexen Bewegungen nicht zuvor bei älteren Bienen beobachten.

Der Schwänzeltanz der Honigbienen ist dem Wiener Walzer in vielerlei Hinsicht ähnlich. Wie auf einem Tanzparkett vollführt eine Kundschafterin dabei bestimmte Bewegungen und Schrittfolgen auf den Waben im Bienenstock.

Österreichische Wurzeln

Erstmals wissenschaftlich erforscht und begründet wurde der Schwänzeltanz der Bienen von dem Zoologen Karl von Frisch, der 1886 in Wien zur Welt kam und in Österreich und Deutschland geforscht hat. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er 1973 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geehrt.

Anders als beim Walzer beinhaltet jede kleinste Bewegung der Biene aber wertvolle Informationen für ihre Artgenossinnen. Die konstanten Abläufe, schnellen Richtungsänderungen und vibrierenden Hinterleibe zeigen ihnen die exakte Distanz und Richtung zu einer umliegenden Nahrungsquelle. Der Tanz der Bienen gilt daher auch als eine der komplexesten Verhaltensweisen im Tierreich.

Lernen von den Profis

Dass die Bienen überhaupt dazu in der Lage sind zu tanzen, wird ihnen bereits in die Wiege gelegt. Ob sie ihre Tanzschritte aber schon von Geburt an komplett beherrschen, oder ob unerfahrene Bienen die komplexen Abläufe erst nach und nach perfektionieren müssen, war bisher unklar.

Ein vierköpfiges Forschungsteam aus China und den USA hat das nun genauer untersucht und nachgewiesen, dass junge Bienen tatsächlich von älteren Kundschafterinnen lernen. „Es ist das komplexeste Beispiel von sozialem Lernen, das wir bei Insekten bisher beobachten konnten“, so der Biologe James Nieh von der University of California in San Diego (UCSD) gegenüber science.ORF.at. Nieh war Teil des Teams, das die Ergebnisse der Untersuchung aktuell im Fachjournal „Science“ präsentiert.

Ungeschickte Tänzerinnen

Die Forscher kreierten Kolonien mit einer Königin, in denen alle Honigbienen gleich alt waren. „Die jungen Bienen konnten von keinen erfahrenen Tänzerinnen lernen, weil keine Tänzerinnen da waren“, sagt Nieh. Nach wenigen Tagen fingen die jungen Insekten bereits an, die Umgebung um die Kolonien zu erkunden. „Wir haben die ersten Schwänzeltänze im Leben dieser Bienen beobachtet, die ausschließlich auf ihrem Instinkt beruhten.“

Tatsächlich zeigte sich, dass die unerfahrenen Insekten einige Fehler machten. Nieh vergleicht sie mit Tanzanfängern, die den Walzer zwar mehr oder weniger beherrschen, immer wieder aber auch falsche Tanzschritte in die Bewegungen einbauen und dem Gegenüber auf die Füße treten.

Erfahrung ist nicht genug

Schon in jungem Alter schlichen sich bei den Bienen Fehler in ihre Tanzbewegungen ein, die sowohl die Richtung als auch die Distanz zur Futterquelle falsch anzeigten. Im Lauf der Zeit lernten sie zwar dazu und verbesserten den Schwänzeltanz, auch später im Leben waren sie aber nie dazu in der Lage, die exakte Distanz zur Nahrung anzugeben. Die Versuchsfutterquelle befand sich 150 Meter von der Kolonie entfernt. „Die Bienen haben in ihren Tänzen immer ungefähr 200 bis 250 Meter angezeigt“, erklärt Nieh.

Gleich weit entfernt von der Futterquelle befanden sich auch Kontrollkolonien, in denen die Forscher nicht in die Rangordnung der Insekten eingriffen. Junge Bienen konnten dort also schon in jungem Alter erfahrenere Kundschafterinnen beobachten und von ihnen lernen. Die zur nächsten Generation weitergegebene Expertise zahlte sich aus: Im Gegensatz zu den Versuchsbienen hatten die jungen Kontrollbienen keine Probleme, in ihren Tänzen sowohl die Richtung als auch die Distanz zur Nahrung korrekt anzuzeigen. „Die Bienen aus der natürlichen Kolonie konnten von Anfang an perfekt tanzen.“

Früh übt sich

Das Ergebnis der Untersuchung zeige, dass soziales Lernen von Artgenossen auch bei Insekten unabdingbar ist, um Mängel in den angeborenen und vererbten Verhaltensweisen auszumerzen. Außerdem glauben die Forscher, dass auch das Alter der Bienen eine große Rolle spielt, wenn es um das Erlernen bestimmter Fähigkeiten geht.

Im Lauf des Experiments trafen die Versuchsbienen wahrscheinlich mehrmals auf andere Bienen aus den natürlichen Kolonien – laut den Forschern habe sich vielleicht auch deswegen ihre Fähigkeit verbessert, nach und nach die Richtung exakt anzuzeigen. Aber: „Wir glauben, dass die Bienen sehr früh in ihrem Leben lernen, die Distanz in ihrem Tanz zu übermitteln und später eventuell nichts mehr daran verbessern können.“. Umso wichtiger sei es, dass Bienen schon sehr früh in Kontakt mit den erfahreneren Kundschafterinnen kommen.

Intelligente Verwandte

Soziales Lernen spielt auch bei den Verwandten der Honigbiene, den Hummeln, eine große Rolle. Davon zeugt eine vor Kurzem im Fachjournal „Plos Biology“ erschienene Studie. Forscherinnen und Forscher zeigten darin, dass Hummeln die Lösung eines Problems ebenfalls von Artgenossen abschauen: Unerfahrene Hummeln lernten von einer einzigen Artgenossin, wie sie den Verschluss zu einer Zuckerlösung öffneten. Das Gelernte gaben sie dann so lange weiter, bis das ganze Nest davon wusste.

Beide Untersuchungen zeigen laut Nieh einmal mehr, wie intelligent die kleinen Insekten sind. Laut dem Biologen sind sie aber auch die Basis für zahlreiche weitere Untersuchungen auf dem Gebiet: „Jetzt wo wir klar wissen, dass Bienen und ihre Verwandten von ihren Artgenossinnen lernen, können wir die komplexe Kommunikation in den Kolonien und eventuelle Gefahren für die Völker noch besser erforschen.“ Künftig möchte er etwa untersuchen, wie sich der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel auf den Schwänzeltanz und das soziale Gefüge der Honigbienen auswirkt.