„Clusters of Excellence“

Fünf Projekte erhalten Spitzenförderung

Exzellenzstrategien in der Grundlagenforschung findet man in vielen europäischen Ländern. 2021 wurde nach langen Debatten auch in Österreich ein solches hoch dotiertes Förderprogramm beschlossen. Quantentechnologien, Materialien für die Energiewende, Mikrobiomforschung, der Umgang mit der „Krise des Wissens“ und ein neuer Blick auf die Historie Eurasiens sind die Themen der ersten „Clusters of Excellence“, die am Montag vorgestellt wurden.

Alle Projekte setzen sich mit großen Fragen der Gegenwart auseinander, wie ÖVP-Wissenschaftsminister Martin Polaschek bei der Präsentation betonte. „Damit investieren wir nicht nur in wissenschaftliche Exzellenz, sondern auch wirklich in wesentliche Zukunftsbereiche“, so Polaschek. Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und das Wissenschaftsministerium tun das in dieser ersten Finanzierungsrunde mit 81 Millionen Euro, weitere 54 Millionen kommen von den beteiligten Institutionen.

32 solcher Großprojekte hatten sich beworben – fünf werden nun in der ersten Finanzierungsrunde mit Summen zwischen neun Millionen und 21 Millionen Euro pro Projekt gefördert. Die fünf Exzellenzcluster vereinen jeweils bis zu 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, insgesamt sind elf Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstitutionen involviert.

Österreichweite Kooperationen

Man wolle Stärken bündeln und Synergien nutzen. Deswegen konnten sich nicht einzelne Universitäten und Forschungseinrichtungen bewerben, sondern nur Kooperationsprojekte, sagte der FWF-Präsident Christoph Gattringer. „Das ist ein Förderformat für die großen Forschungsfragen, darum auch die Vorgabe, dass mehrere Forschungsstätten zusammenarbeiten müssen, und ohne Zweifel werden diese ‚Cluster of Excellence‘ neue Tore in der Grundlagenforschung öffnen und auch internationale Strahlkraft entwickeln“, so Gattringer.

Bildungsminister Martin Polaschek und FWF-Präsident Christof Gattringer bei der Pressekonferenz anl. der „Bekanntgabe der Cluster of Excellence – Österreichs Leuchttürme der Spitzenforschung“
APA/HANS KLAUS TECHT
Bildungsminister Martin Polaschek und FWF-Präsident Christof Gattringer

Zu diesen Zukunftsthemen gehört die Energiewende: Unter Forschungsdirektor Günther Rupprechter von der Technischen Universität Wien arbeiten beispielsweise die TU, das Institute of Science and Technology Austria, die Universität Wien und die Universität Innsbruck zusammen, um erneuerbare Energien klimaneutral speichern zu können. „Damit diese Prozesse reibungslos und effizient funktionieren, brauchen wir neue Materialien und Technologien“, sagte Rupprechter. Der Exzellenzcluster „Materialien für Energiekonversion und Speicherung“ wolle dazu beitragen, die Gesellschaft von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen, so Rupprechter weiter.

Mehr Förderung für Naturwissenschaften

Die drei technischen bzw. naturwissenschaftlichen Cluster könnten tatsächlich mit dem Höchstbetrag von 70 Millionen Euro im Rahmen dieser Förderschiene gefördert werden. Neben dem Materialwissenschaften starten auch die Quantenphysik und die Mikrobiomforschung mit einer Grundförderung von ca. 21 Millionen Euro durch FWF und Ministerium, weitere 14 Millionen kommen von den beteiligten Institutionen.

Die beiden sozial- bzw. geisteswissenschaftlichen Cluster starten mit einem kleineren Budget – zu den ca. neun Millionen Euro Förderung kommen sechs Millionen der Unis und Forschungsinstitute. Die Byzantinistin und Kulturhistorikerin Claudia Rapp von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien ist Forschungsdirektorin des Clusters „EurAsia: Transformationsprozesse“, der sich dem kulturellen Erbe der Großregion Eurasien widmet. Diese Region umfassen heute 70 Prozent der Weltbevölkerung, so Rapp. Man wolle sie in ihrer historischen Tiefe verstehen.

Krise des Wissens überwinden

Auch die Wissenschaftsskepsis und die gegenwärtige Krise des Wissens zählen zu den Zukunftsthemen, die intensiv erforscht werden sollen. Das Projekt leitet der Philosoph Tim Crane von der Central European University. Klimawandel, Artensterben, soziale Ungleichheit und Krieg – das paradoxe an der gegenwärtige Krise sei, so Crane, dass wir Wissenschaft und Fachwissen mehr denn je brauchten, diese Bereiche aber mehr und mehr angegriffen würden. Wie man diese Krise überwinden kann, soll in den nächsten zehn Jahren in Wien, Graz und Salzburg untersucht werden.

Alle „Cluster of Excellence“ werden nach fünf Jahren evaluiert, dann steht die nächste Finanzierungsrunde an. Im Vorfeld der Bekanntgabe gab es auch Kritik an solch hoch dotierten Förderprogrammen, etwa mit Blick auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse an Österreichs Universitäten. Das Netzwerk Unterbau Wissenschaft, eine Interessenvertretung befristet beschäftigter Forschender, fordert etwa, zunächst unbefristete Anstellungen zu schaffen und so die Forschung in Österreich voranzutreiben. Die prekäre Beschäftigung habe nämlich auch Folgen für die Forschung selbst.

Kritik an Exzellenzförderung

Eine Studie der Universität zeigte beispielsweise, dass rund 80 Prozent der Forschenden wegen Befristungen und Kettenvertragsregelung negative Auswirkungen auf den eigenen Forschungsbereich erleben bzw. zukünftig befürchten. Qualifizierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden werde schwieriger, weil die befristeten Beschäftigten die Uni nach acht Jahren verlassen müssen, so ein Ergebnis der Untersuchung.

Dazu sagte Wissenschaftsminister Polaschek, dass die Achtjahresbefristung eine relative neue Bestimmung sei (sie wurde mit der Novelle des Universitätsgesetzes im Oktober 2021 eingeführt, Anm.), die man nach gegebener Zeit evaluieren werde. „Ich gehe davon aus, dass wir, wenn die Universitäten die ersten Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes haben, über Anpassungen nachdenken können“, so Polaschek. Der Rektor der Universität Wien, Sebastian Schütze, bezeichnte die Regelung bereits vergangene Woche gegenüber der APA als „Katastrophe“. „Das können wir so nicht gebrauchen, weil es die Situation unserer Nachwuchswissenschaftler erschwert“, so Schütze. Das habe man schon bei der Erarbeitung der Regelung deponiert.