Die Erde aus Satellitenperspektive, „Blue Marble“
NASA/Apollo 17 crew
NASA/Apollo 17 crew

IPCC: Welt braucht Sprint im „Klimamarathon“

Am Montag hat der Weltklimarat (IPCC) seinen neuesten Synthesebericht veröffentlicht. Er lässt keinen Zweifel offen, dass die Klimaerwärmung in vollem Gang ist und drastische Schritte nötig sind, um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten. Noch ist es möglich – aber im Marathon gegen die Klimakrise sind nun Sprintqualitäten gefragt, betonen Fachleute.

Mit dem aktuellen IPCC-Synthesebericht geht der sechste IPCC-Berichtszyklus zu Ende, in dem in den vergangenen neun Jahren bereits mehrere Berichte erschienen sind. Er fasst das bestehende Wissen zusammen und soll „in einem nicht technischen, für politische Entscheidungsträger geeigneten Stil verfasst sein und ein breites Spektrum politisch relevanter, aber politisch neutraler Fragen behandeln“.

Sein Fazit: Die Erderwärmung liegt – im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung – bereits bei rund 1,1 Grad plus. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung, bis zu 3,6 Milliarden Menschen, leben laut dem Bericht in Regionen, die besonders starke Folgen des Klimawandels erleben dürften.

“Bisher spazieren wir nur“

„Wir sehen den Klimawandel auch hier bei uns viel, viel stärker als vor achteinhalb Jahren. Wir spüren die Auswirkungen und wissen, dass sie mit jedem bisschen Erwärmung massiv ansteigen werden. Und gleichzeitig haben wir es noch in der Hand, dagegen vorzugehen und das Allerschlimmste abzuwenden“, sagte Matthias Garschagen, Klimaforscher an der Universität München und Mitglied des Kernautorenteams.

„Wenn Sie Marathon in einer gewissen Zeit laufen möchten und Sie laufen die ersten 30 Kilometer langsamer, als Sie es für den Schnitt bräuchten, müssen Sie die letzten Kilometer schneller laufen", so Garschagen. Die Geschwindigkeit im Kampf gegen die Klimakrise sei bisher zu langsam, betonte auch der IPCC-Vorsitzende Huesong Lee. „Bisher spazieren wir nur, wir sollten aber sprinten.“

Auch gute Nachrichten

Der IPCC verdeutliche, „dass wir die 1,5-Grenze noch einhalten können, wenn wir jetzt rasch handeln und Treibhausgasemissionen dauerhaft in allen Sektoren verringern“, ergänzte der deutsche Klimaökonom Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Dazu seien neue Technologien nötig, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen – und es gebe auch gute Nachrichten: „Der Report zeigt, dass in bestimmten Weltregionen gerade eine Entkoppelung von CO2-Emissionen und Wirtschaftswachstum einsetzt, dass also eine hohe Lebensqualität auch mit geringen Emissionen erreichbar ist."

Grafik zu den weltweiten Treibhausgasemissionen
Grafik: APA/ORF; Quelle: IPCC

“Verbleibende Zeit nicht vergeuden“

Bisherige Bemühungen, den Klimawandel zu mindern, verfehlen eine Stabilisierung des Klimas bei plus 1,5 Grad und zwei Grad, hieß es vom Climate Change Centre Austria (CCCA) in einer Aussendung. Mit jedem weiteren Zehntel Grad Erwärmung würden die Folgen weiter zunehmen. Die globale Erhitzung unseres Planeten wird diesen an den Rand des Kollapses bringen, das verdeutliche der IPCC-Bericht, schrieb Greenpeace Österreich in einer ersten Reaktion. Doch der Weltklimarat zeige auch klar auf, es sei noch nicht zu spät, um die dringend benötigte Klimatrendwende endlich einzuleiten.

Österreichs Reaktionen auf Weltklima-Bericht

Am Montagh hat der UNO-Weltklimarat IPCC seinen umfangreichen Synthesebericht präsentiert. Auch einige österreichische Wissenschaftler haben an dem Bericht mitgearbeitet und haben zu den Klimamaßnahmen der österreichischen Politik Stellung genommen.

Klimaschutzgesetz fehlt

Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin der NGO, bezeichnete die Bedrohungen durch die Klimakrise als „groß, doch ebenso sind es auch die Möglichkeiten, unsere Welt positiv zu verändern. Doch wir dürfen die verbleibende Zeit nicht sinnlos vergeuden.“ Die österreichische Regierung müsse jetzt Meter beim Klimaschutz machen und das längst überfällige Klimaschutzgesetz auf den Boden bringen. Nicht zuletzt an der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes in Österreich wird sich messen lassen, wie sehr die aktuelle Regierung ihren Versprechen nach einem klimaneutralen Österreich bis 2040 nachkommt, kritisierte Duregger.

„Schluss mit der Vogel-Strauß-Politik beim Klimaschutz!“, forderte WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Während es weltweit 20 Staaten im letzten Jahrzehnt gelungen ist, ihre Emissionen dauerhaft zu senken, ist in Österreich der CO2-Ausstoß seit 1990 fast unverändert. „Um von der Nachzüglerrolle wieder zum Vorreiter zu werden, brauchen wir dringend ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz und ein groß angelegtes Naturschutzprogramm“, so die WWF-Forderung.

Landwirtschaft als „Klimaopfer Nummer eins“

Die Klimakrise ist nichts Abstraktes, auch nicht in Österreich, stellte die österreichische Hagelversicherung fest, im Gegenteil: „Die Erderwärmung ist im vollen Gange“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Kurt Weinberger und belegt den Klimawandel mit Zahlen: „Während wir beispielsweise in Wien in den 80er, 90er Jahren jährlich noch ca. zehn Hitzetage, also Tage mit mehr als 30 Grad Celsius hatten, sind es jetzt knapp 30 Hitzetage pro Jahr, also das Dreifache.“

Spürbar sei die Erderwärmung aber auch an den zunehmenden Wetterextremen, die die Landwirtschaft mit der Werkstatt unter freiem Himmel unmittelbar und als Erstes treffen. Sie nehmen an Häufigkeit und Intensität zu: Hagel, Sturm, Überschwemmung, Frost und vor allem die Trockenheit – diese Wetterrisiken schweben wie ein Damoklesschwert jährlich über der Landwirtschaft und führen zu starken Ernteausfällen. Die Landwirtschaft sei „Klimaopfer Nummer eins“.