Wald und Wiese unter blauem Himmel
IUFRO, Nelson Grima
IUFRO, Nelson Grima
Gesundheitsprävention

Alle sollten drei Bäume vor dem Fenster sehen

Wälder und Bäume tragen vielfältig zur Gesundheit bei, etwa als Hitzeschild in Zeiten der Klimaerwärmung oder als Luftfilter. Wald- und Baumschutz seien deshalb unerlässlich, betonen Fachleute in einem neuen Bericht. Sie fordern: Jeder und jede sollte aus dem Fenster drei ausgewachsene Bäume sehen.

Denn Baumkronen würden, insbesondere in den urbanen Regionen der einkommensstarken Länder, bei Hitzewellen für Abkühlung sorgen, städtische Parks Erholung bringen. Zudem tragen Wälder und Bäume zur Lebensgrundlage der Landbevölkerung bei, berichteten Fachleute am Dienstag bei einer Online-Präsentation des globalen Berichts zu Wald und Gesundheit der „International Union of Forest Research Organizations“ (IUFRO) mit Sitz in Wien.

Drittel weniger Todesfälle bei Hitzewellen

„Auch in Mitteleuropa leben viele Menschen in Städten und Gemeinden und sind dort häufig Hitzestress ausgesetzt“, erklärte Hauptautor Cecil Konijnendijk von der University of British Columbia (Kanada). Untersuchungen hätten gezeigt, dass Wald und Grünflächen bei Hitzewellen die Zahl der vorzeitigen Todesfälle um ein Drittel reduzieren können und sogar der Blick auf Bäume aus dem Fenster die Gesundheit und das Wohlbefinden fördert.

Grünflächen und Bäumen werde in der Stadtplanung oft nicht die gebührende Anerkennung und Priorität eingeräumt: „Die Stadtplanung sollte sicherstellen, dass die Menschen stets leichten Zugang zu Wäldern, Grünflächen und Bäumen haben, sowohl physisch als auch visuell“, so der Forscher.

Central Park in New York mit einer „Oase der Ruhe“ inmitten des Großstadttrubels
IUFRO, John Parrotta
Der Central Park in New York bietet Oasen der Ruhe inmitten des Großstadttrubels

Er schlägt deshalb eine ambitionierte „3:30:300-Regel“ vor: „Jeder sollte von seinem Fenster aus – ob zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Schule – mindestens drei ausgewachsene Bäume sehen können, die Fläche jedes Stadtviertel muss mindestens 30 Prozent Baumkronen aufweisen, und wir alle sollten eine hochwertige öffentliche Grünfläche haben, die nicht weiter als 300 Meter von unserem Haus entfernt ist.“

Bedeutsam für Tier-Mensch-Infektionen

Zudem fänden Zoonosen, also Tier-Mensch-Infektionen, politisch noch zu wenig Beachtung, obwohl die Fachleute Anzeichen dafür sehen, dass die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle dadurch in Zukunft ansteigen wird. Solche Erkrankungen könnten von schlechter Bewirtschaftung des Waldes ausgehen: „Zoonosen wie Ebola und SARS wie etwa Covid-19 können mit Störungen in den Beziehungen zwischen Wäldern und Menschen in Verbindung gebracht werden“, sagte der Forscher: „Wie wir erst kürzlich bei Covid-19 gesehen haben, können aber diese Krankheiten, selbst wenn sie an weit entfernten Orten auftreten, globale Auswirkungen haben.“

In ihrem Bericht verweisen die Autorinnen und Autoren auch auf den Nutzen von Waldflächen als heilende Umgebung, z. B. nach einer Pandemie wie Covid-19 – insbesondere für jene, die unter Langzeitfolgen oder psychischen Problemen leiden. „Unsere Bewertung dokumentiert den therapeutischen Nutzen von Wäldern und Grünflächen sehr gut. Studien über Therapiegärten in Ländern wie Dänemark und Schweden haben gezeigt, dass Menschen mit verschiedenen Formen von psychischen Erkrankungen viel gesünder werden, wenn sie an therapeutischen Programmen in der Natur teilnehmen“, sagte Konijnendijk.

Waldbrand in Spanien: Feuerwehrleute versuchen zu löschen
IUFRO, Nelson Grima
Waldbrand in Spanien: Feuerwehrmänner versuchen zu löschen

Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verbunden

Die Forscherinnen und Forscher appellieren an die Politik, Wälder, Bäume und Grünflächen als wesentliche Bestandteile von Gesundheitspolitik und -programmen sowie Stadtplanung zu betrachten. Es seien viel mehr sektorübergreifende Initiativen erforderlich. Die Rolle der Natur bei der Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden müsse auch in der gesamten medizinischen Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden.

Es brauche einen „One-Health“-Ansatz, also eine über mehrere Sektoren abgestimmte Gestaltung und Umsetzung von Programmen, Rechtsvorschriften und Forschung. „One-Health“ sieht dabei die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als eng miteinander verbunden an. Der Ansatz ist auch laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ein zentrales Mittel, um künftig Gesundheitsgefahren an der Schnittstelle von Tier, Mensch und Umwelt zu bewältigen.

Auch Forstwirtschaft gefordert

„Die Sensibilisierung von Entscheidungsträgern, Planern und Gesundheitsfachleuten wird ein wichtiger Schritt sein“, betonte Konijnendijk. Aber auch im Bereich der Forstwirtschaft müsse man das Bewusstsein für Gesundheitsaspekte schärfen und den Gesundheitsnutzen in forstwirtschaftlichen Programmen und Aktivitäten stärker in den Vordergrund stellen.

„Das Bewusstsein für die Rolle von Wäldern und Bäumen ist beim Klimaschutz bereits gewachsen, z.B. durch die Arbeit des Weltklimarats und verschiedene waldbezogene politische Prozesse“, erläuterte der Wissenschaftler: „Was wir hier verbessern können, ist eine stärkere Berücksichtigung der Verbindungen zwischen Wäldern, Klimawandel und menschlicher Gesundheit.“