Fortpflanzung

Kinderwunsch nach Krebs häufig Kostenfrage

Krebstherapien werden laufend besser, aber Chemo- und Strahlentherapie können schwerwiegende Nebenwirkungen haben, etwa die Fruchtbarkeit gefährden. Es gibt medizinische Möglichkeiten, den Betroffenen einen späteren Kinderwunsch zu erfüllen. Die Kosten dafür müssen die Patientinnen und Patienten jedoch selbst tragen.

Erkrankungen wie Leukämie, Brustkrebs oder Hodenkrebs können Therapien notwendig machen, die die Fortpflanzungsfähigkeit einschränken oder die Betroffenen unfruchtbar machen. Denn die Chemo- oder Strahlentherapie richtet sich nicht nur gegen die bösartigen Krebszellen, sie kann auch Fortpflanzungsorgane schädigen. Eine Möglichkeit, den Patientinnen und Patienten einen späteren Kinderwunsch zu erfüllen, ist es, Sperma oder Eizellen einzufrieren oder – sofern es einen Kinderwunsch mit einer Partnerin oder einem Partner gibt – befruchtete Eizellen zu konservieren.

Zeitdruck bei Entscheidung

Bei Männern sei das ein relativ einfacher Vorgang, sagt Bettina Böttcher von der Klinik für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck. Bei Frauen sei das aufwändiger. Hier müsse, wie im Zuge einer künstlichen Befruchtung bzw. IVF-Behandlung, hormonell stimuliert werden, bevor Eizellen entnommen werden können. „Hierfür braucht man allerdings zehn bis vierzehn Tage Zeit und bei manchen Krebsarten haben wir diese Zeit nicht“, so Böttcher. Etwa im Fall einer Leukämie müsse sehr schnell mit der Chemotherapie begonnen werden.

Die Frauen hätten diese Entscheidung also unter großem Zeitdruck in Absprache mit einem interdisziplinären medizinischen Team zu treffen, so Böttcher, fast immer unmittelbar nach der belastenden Krebsdiagnose selbst. Eine Option für Frauen, die schneller umgesetzt werden kann, ist eine Hormonbehandlung, die die Eierstöcke in eine Art künstlichen Wechsel bringt, um sie zu schützen. Dabei handelt es sich um eine Spritze, die einmal im Monat verabreicht wird. Werden die Hormone abgesetzt, kann die Funktionsfähigkeit der Eierstöcke zurückkehren, sofern die schädigende Wirkung der Chemo- und Strahlentherapie nicht zu massiv war.

Maßnahmen in Absprache mit Onkologie

Eine dritte Möglichkeit, die seit kürzerer Zeit international erfolgreich eingesetzt wird, bezieht sich auf die Eierstöcke selbst. Hier kann über eine Bauchspiegelung Eierstockgewebe entnommen und eingefroren werden. Nach Ende der Therapie werde dieses Eierstockgewebe wieder eingesetzt, wachse an und die Eierstöcke könnten so wieder körpereigene Horomone produzieren, sagt der in Wien niedergelassene Gynäkologe und Reproduktionsmediziner Julian Marschalek.

„So kann man auch schwanger werden und weltweit sind aufgrund dieser furchtbarkeitserhaltenden Maßnahme schon über 200 Kinder von Frauen geboren worden, die davor schon im Wechsel waren“, so Marschalek. Die Krebstherapie hatte die Eierstöcke derart geschädigt, dass die ihre Aktivität eingestellt hatten. Eine Einschränkung gebe es auch hier, ergänzt Bettina Böttcher: Man müsse, wie bei allen dieser fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen, in enger Abstimmung mit den behandelnden Onkologinnen und Onkologen vorgehen, um sicherzustellen, dass keine bösartigen Krebszellen über das eingefrorene Gewebe rücktransplantiert werden.

Keine Kostenübernahme durch Krankenkasse

In Österreich sind alle fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen von den Betroffenen selbst zu zahlen, die Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür nicht. Für viele kämen diese Maßnahmen daher nicht in Frage, sagt Bettina Böttcher. „Wir reden über Männer und Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren, die noch nicht fest im Berufsleben stehen, sondern oft noch in Ausbildung sind und für diese Kosten nicht aufkommen können“, so Böttcher, die auch Ansprechperson im Netzwerk Fertiprotekt ist, das Informationen für Betroffene und Mediziner zur Verfügung stellt.

Bei Jugendlichen müssten die Eltern für die Kosten aufkommen und die können sich auf einige tausend Euro belaufen. Etwa 1.800 Menschen im reproduktionsfähigen Alter seien in Österreich jedes Jahr mit einer solchen Diagnose konfrontiert, sagt Marschalek. Nur 500 würden in Folge der Krebsdiagnose ein Beratungsgespräch in Anspruch nehmen. Noch weniger könnten die fruchtbarkeitssichernden Maßnahmen in Anspruch nehmen.

Gespräche mit Ministerium laufen

Julian Marschalek ist Teil einer Arbeitsgruppe, die sich bei Gesundheitsministerium, Dachverband der Sozialversicherungsträger und IVF-Fonds dafür einsetzt, dass die Kosten für Fertilitätsprotektion im Krankheitsfall übernommen wird. In Deutschland gab es 2019 eine entsprechende Gesetzesänderung, seit zwei Jahren übernehmen die Krankenkassen dort die Kosten. „Dort möchten wir auch für Österreich hin“, so Marschalek. Denn bis jetzt blieben diese Maßnahmen jenen vorbehalten, die sie sich leisten könnten.

Vom Gesundheitsministerium heißt es auf Anfrage von Ö1, dass man aktuell über eine Anpassung der Indikationsliste verhandle. Nicht nur Krebsbehandlungen, auch Autoimmunerkrankungen oder bestimmte Erbkrankheiten können die Fruchtbarkeit einschränken. Das heißt, der österreichische IVF-Fonds könnte nach einer Gesetzesänderung 70 Prozent der Kosten einer Spermien- oder Eizellenentnahme tragen bzw. einer künstlichen Befruchtung zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Kostenübernahme aller Maßnahmen bzw. für das Einfrieren und Lagern von Sperma, Eizellen, Eierstockgewebe oder Embryos stehe aber nicht zur Debatte.