Kinder in einem Kindergarten
AFP – ATTILA KISBENEDEK
AFP – ATTILA KISBENEDEK
Kinder

Früher Kontakt zur Zweitsprache hilft beim Erlernen

Wie Kinder die Zweitsprache Deutsch am besten lernen, ist nicht erst in der Schule ein Thema. Ein Projekt der Uni Wien untersuchte den Spracherwerb von Kindergartenkindern aus türkischen Familien. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kinder, die früh Kontakt mit der deutschen Sprache haben, diese schneller lernen.

Eineinhalb Jahre lang wurden rund 50 Kinder von Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern begleitet, die öffentliche Kindergärten in Wien besuchten. Im Rahmen des Input-Projektes der Universität Wien unter Leitung von Wolfgang Dressler gab es Interviews und sprachliche Tests, die Kinder wurden zuhause und im Kindergarten mit Blick auf den Spracherwerb beobachtet. Und es gab zwei Gruppen: Kinder, deren Erstsprache Deutsch ist, und Kinder, deren Erstsprache Türkisch ist.

Früher in den Kindergarten

Im Alter von dreieinhalb Jahren wurden ihre Sprachkenntnisse erstmals erhoben. Hier zeigten Erhebungen von Katharina Korecky-Kröll, dass sich Bildung und Einkommen auch auf den Spracherwerb der Kinder auswirken. Je höher der Bildungshintergrund der Eltern, desto eher haben sie Möglichkeiten, die Kinder beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch zu fördern. Auswertungen der Sprachwissenschaftlerin Kumru Uzunkaya-Sharma zeigten außerdem: Je früher und je mehr Kontakt Kinder aus türkischsprachigen Familien mit der deutschen Sprache haben, desto besser beherrschen sie Deutsch im Alter von dreieinhalb und danach.

Viele würden also von einem frühen Kindgarteneintritt profitieren, sagt Uzunkaya-Sharma. Wenn die Sprache, die im Haushalt gesprochen wird, Türkisch ist und die Eltern selbst nur selten Deutsch sprechen, profitieren die Kinder vom Kontakt mit Deutschsprechenden, eben im Kindergarten oder auch im Freundeskreis. „Je früher der Kindergarteneintritt ist, umso mehr Lernmöglichkeiten hat dieses Kind, umso eher kommt es in diese schulischen Strukturen hinein und umso größere Chancen hat es dann, bei Schuleintritt wirklich fit zu sein für die Schule“, so die Sprachwissenschaftlerin weiter.

Unterschied beim Wortschatz

Kinder, die erst im Alter von drei, vier Jahren mit Deutsch als Zweitsprache in Kontakt kommen, könnten den Rückstand zum Wortschatz von Kindern, die Deutsch bereits kennen bzw. sprechen, bis Schulbeginn nicht aufholen, so das Ergebnis des Projektes. Der Kindergarten könne, sofern Plätze vorhanden, dazu beitragen, diese Lücke nicht entstehen zu lassen, sagt Uzunkaya-Sharma. Sie plädiert dafür, den Eltern dieser Kinder einen Krippenplatz bzw. früh einen Kindergartenplatz zuzusichern, auch wenn die Mutter nicht erwerbstätig ist.

„Diese Kinder müssen früher mit der Zweitsprache Deutsch in Kontakt kommen und je früher sie mit Deutsch in Kontakt kommen, desto besser ist ihr Lernerfolg“, so Uzunkaya-Sharma weiter. Eltern mit einem höheren Bildungsabschluss würden, so die Ergebnisse, darauf achten, die Kinder noch vor Kindergarteneintritt an die deutsche Zweitsprache heranzuführen und das wirke sich positiv auf das weitere Deutschlernen im Kindergarten aus.

Zugang zu Büchern erlernen

Das Projekt zeigte auch, dass Kinder, unabhängig von der Erstsprache, möglichst früh in Kontakt mit Büchern und dem Lesen kommen sollten als Basis für das spätere schulische Lernen. Die klassische Gute-Nacht-Geschichte sei das beste Beispiel, wie sich dieser Zugang zu Büchern in den Alltag integrieren lasse, sagt Uzunkaya-Sharma. „Wenn Eltern das Kind zu Bett bringen und dem Kind beim Vorlesen die zehn Minuten Aufmerksamkeit voll und ganz geben, ist das eigentlich schon ein erfolgversprechender Ansatz“, sagt die Sprachwissenschaftlerin.

Die Eltern darüber aufklären, wie wichtig der frühe Kontakt zur deutschen Sprache bzw. zu Büchern und zum Lesen ist, könnte etwa der Kinderarzt bzw. die Kinderärztin, meint Uzunkaya-Sharma. Sie plädiert für eine verpflichtende Sprachberatung im Rahmen des neuen Eltern-Kind-Pass-Programmes.