Sandro Boticellis „Beweinung Christi“, gemalt in Tempera- und Ölfarben
Bavarian State Painting Collections, Munich
Bavarian State Painting Collections, Munich
Malerei

Was Eidotter in Ölgemälden bewirkt

Leonardo da Vinci und andere alte Meister haben einige ihrer bekannten Werke in Öl gemalt. Neben Öl und Pigmenten enthielten die Farben mitunter auch Eidotter. Eine aktuelle Studie zeigt: Dadurch ist das Gemisch stabiler und nimmt weniger Feuchtigkeit auf. Außerdem sind die Gemälde besser vor Trockenfalten und Gelbstich geschützt.

Alte Meister wie die italienischen Renaissance-Maler Sandro Boticelli und Leonardo da Vinci, ihr deutscher Zeitgenosse Albrecht Dürer und etwas später der berühmte Niederländer Jan Vermeer arbeiteten oft Wochen und Monate an ihren unvergesslichen, oft monumentalen Meisterwerken.

Ihre besondere Ausstrahlung verdanken diese unter anderem den dabei verwendeten aufwendigen Maltechniken, wo etwa Farben häufig in vielen Schichten aufgetragen wurden. Bei näherer Betrachtung kann man die so entstandene dreidimensionale Gemäldeoberfläche erkennen. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise bestimmte Lichtverhältnisse darstellen.

Beschaffenheit der Farbe

Damit solche Maltechniken ihre volle Wirkung entfalten können, braucht es nicht nur die entsprechenden handwerklichen Fertigkeiten, auch Kenntnisse rund um Beschaffenheit der Farben sind wesentlich: Wie gut lassen sie sich auftragen? Wie lange trocknen sie? Sind sie später deckend, glänzend oder matt? Die Produkte mussten damals in der Regel selbst abgemischt werden.

Ausschnitt Sandro Boticellis „Beweinung Christi“, gemalt in Tempera
Wibke Neugebauer, Munich
Dieser Ausschnitt von Sandro Boticellis „Beweinung Christi“ ist in Tempera gemalt, andere Teile des Gemäldes in Ölfarben.

Verwendet wurden Tempera– und ab dem 14. Jahrhundert immer häufiger Ölfarben, oft auch beide gemeinsam. Zur Herstellung von Ölfarben wurden Farbpigmente und ein pflanzliches Öl verwendet. Neben diesen Hauptbestandteilen finden sich aber früheren Analysen zufolge noch andere Zusätze in den Mischungen, etwa Harz, aber auch Proteine wie zum Beispiel Spuren von Eidotter.

Stabile Mischung

Sind die Pigmente von Proteinen ummantelt, werden sie stabiler, was den pastosen Auftrag erleichtert, und die Gemälde verlieren weniger schnell Farbe, schreibt ein Team um Ophélie Ranquet vom Karlsruher Institut für Technologie im Fachmagazin „Nature Communications“. Für die nun erschienene Studie hat es experimentell untersucht, welchen Nutzen die Beimischung von Eidotter noch gehabt haben könnte und wie sie die Beschaffenheit der verwendeten Farben verändert hat, z. B. das Fließverhalten und die Streichfähigkeit.

Zu diesem Zweck wurden verschiedene Mischungen mit und ohne Eidotter auf Basis von Leinöl und zwei oft verwendeten Pigmenten zubereitet: Bleiweiß und Ultramarinblau. Bei manchen Zubereitungen waren schon die Farbpigmente von den Proteinen ummantelt, bei anderen wurde einfach etwas Eidotter zur fertigen Ölfarbe hinzugefügt.

Weniger Falten und Gelbstich

Es zeigte sich unter anderem, dass die Ummantelung der Pigmente durch Eidotter eine Aufnahme von zu viel Feuchtigkeit verhindert, was zur Stabilität der Farbe beiträgt. Die Ölfarbe wird durch die beigemischten Proteine zudem streichfähiger, selbst wenn sie sehr stark pigmentiert ist. Aber auch bei schwacher Pigmentierung hat sich die Beigabe von Eidotter als nützlich erwiesen: In diesem Fall verhindert sie, dass sich Falten bilden, während das Gemälde trocknet.

Noch einen weiteren Nutzen haben die Forscher und Forscherinnen entdeckt: Eidotter enthält Antioxidantien wie Vitamin E und Carotinoide. Das bremse die chemische Reaktion mit dem Sauerstoff in der Umgebungsluft. Das Gemälde verfärbt sich nicht so schnell. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die großen Künstler der Vergangenheit den Eidotter wohl gezielt hinzugefügt haben, um die Beschaffenheit der Ölfarben zu verändern. Wie das Team abschließend schreibt, gebe uns das die Möglichkeit, die Meisterwerke noch heute in ihrer ganzen Pracht zu bewundern.