Tyrannosaurus rex brüllt mit geschlossenem Mau
Mark Witton
Mark Witton
Paläobiologie

T. Rex sah gar nicht so gefährlich aus

Mit gefletschten Zähnen, die aus dem Maul ragen, wird der Tyrannosaurus Rex meist dargestellt – in Museen, auf Postern und in Filmen wie „Jurassic Park“. Eine neue Studie zeichnet nun aber ein völlig anderes Bild des wohl bekanntesten Dinosauriers: Seine Zähne waren wahrscheinlich vollständig hinter dünnen Lippen versteckt.

Wenn es nach der Studie geht, die nun im Fachjournal „Science“ veröffentlicht wurde, müssen die seit mehr als einem Jahrhundert verbreiteten Darstellungen des Tyrannosaurus Rex und anderer Dinosaurier der Theropoden-Gruppe neu entworfen werden. Denn die Forschungsergebnisse verändern die Vorstellung über das Aussehen und die Anatomie der Raubtiere.

Theropoden sind bekannt für ihre großen, dolchartigen Zähne. Diese werden in wissenschaftlichen und popkulturellen Darstellungen meist als freiliegend dargestellt: Wie bei Krokodilen ragen sie aus dem geschlossenen Maul heraus. Zu den Theropoden gehören neben dem T. Rex auch andere fleischfressenden Raubtiere wie der Velociraptor.

Tyrannosaurus rex
fotokitas – stock.adobe.com
Eine typische Darstellung des T. Rex: Gefletschte Zähne, die aus dem Maul ragen

Ein internationales Forschungsteam um den Paläobiologen Thomas Cullen von der Universität Auburn in den USA stellt diese Darstellung infrage und die Hypothese auf, dass Theropoden schuppige, dünne Lippen hatten – ähnlich Eidechsen und ihren Verwandten, den Tuatara. Dabei handelt es sich um ein seltenes, nur in Neuseeland verbreitetes Reptil und den letzten Überlebenden der Sphenodontier, einer Reptilienfamilie, die ihre Blütezeit in der Trias und im Jura hatte.

Dass Theropoden bekanntermaßen relativ dünnen Zahnschmelz hatten, untermauert die Hypothese, dass ihre scharfen Zähne bei geschlossenem Maul vollständig von den Lippen bedeckt waren. Wären sie ständig der Umgebungsluft ausgesetzt gewesen, hätte das zu einer schädlichen Austrocknung und schnellerer Abnutzung geführt.

Zähne im Verhältnis zum Schädel nicht besonders groß

Um verschiedene Hypothesen für Rekonstruktionen von Theropoden zu testen, untersuchten die Forscherinnen und Forscher das Verhältnis zwischen Schädellänge und Zahngröße bei Theropoden sowie bei lebenden und ausgestorbenen Reptilien, ebenso Zahnstruktur und Abnutzungsmuster.

Sie stellten fest, dass die Theropoden hinsichtlich Anatomie und Funktion des Kiefers eher Eidechsen als Krokodilen ähnelten. So waren ihre Lippen wahrscheinlich nicht mit Muskeln versehen: Sie bedeckten die Zähne, konnten aber nicht – wie bei Menschen und anderen Säugetieren – bewegt, etwa zum Zähnefletschen zurückgerollt, werden.

In der Vergangenheit sei argumentiert worden, dass die Zähne der Raubsaurier zu groß waren, um von den Lippen bedeckt zu werden – die Studie zeige aber das Gegenteil, so Hauptautor Cullen in einer Aussendung: „Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Zähne der Theropoden im Verhältnis zur Schädelgröße nicht größer waren als die heutiger Raubechsen. Sogar die riesigen Zähne des T. Rex sind im Verhältnis zur Schädelgröße mit jenen heute lebender Raubtiere vergleichbar.“

Ein junger Edmontosaurus verschwindet im riesigen Maul des Tyrannosaurus
Mark Witton
Ein junger Edmontosaurus verschwindet im Maul eines T. Rex, so wie es laut dem Forschungsteam wohl ausgesehen hat

Im Gegensatz zu Krokodilzähnen zeigen die Zähne von Theropoden zudem keinerlei Anzeichen für eine Abnutzung der äußeren Oberfläche. Das deutet darauf hin, dass sie durch Speichel im Maul mit Feuchtigkeit versorgt wurden. „Zähne, die nicht von den Lippen bedeckt sind, laufen Gefahr auszutrocknen und können bei der Nahrungsaufnahme und bei Kämpfen stärker beschädigt werden, wie wir es bei Krokodilen sehen, nicht aber bei Dinosauriern“, so Koautorin Kirstin Brink von der Universität von Manitoba in Kanada.

Abschied von T. Rex aus „Jurassic Park“?

Laut dem Forschungsteam deuten die Daten darauf hin, dass die Theropoden Zähne hatten, die bei geschlossenem Maul vollständig von den Lippen verdeckt waren. Eine Erkenntnis, die nicht nur Auswirkungen auf das heutige Verständnis der Anatomie der Dinosaurier, sondern auch auf ihre Darstellung in Wissenschaft und Populärkultur hat.

Seitdem im 19. Jahrhundert mit der Restaurierung von Dinosauriern begonnen wurde, wurden die Lippen immer wieder neu gestaltet, so Koautor Mark Witton von der Universität Portsmouth: „Dinosaurier ohne Lippen wurden in den 1980er und 1990er Jahren immer bedeutender. Durch Dokumentationen und Filme wie ‚Jurassic Park‘ hat sich diese Darstellung tief in der Populärkultur verwurzelt.“

Seltsamerweise habe es nie eine Studie oder Entdeckung gegeben, die diesen Wandel auslöste, so Witton. Der Paläontologe vermutet, dass die Darstellung des zähnefletschenden T. Rex eher „die Vorliebe für eine neue, wild aussehende Ästhetik“ widerspiegelte als einen Wandel im wissenschaftlichen Denken. In der aktuellen Studie werde die popkulturelle Darstellung des T. Rex auf den Kopf gestellt – und seine Zähne mit Lippen bedeckt. „Das bedeutet, dass viele der beliebtesten Darstellungen von Dinosauriern falsch sind – auch die des ikonischen T. Rex aus ‚Jurassic Park‘.“