Friedhof, Gräber mit Kreuzen und Frauenskulptur
APA/HERBERT NEUBAUER
APA/HERBERT NEUBAUER
Witwen-Effekt

Wie man den Tod des Partners besser verkraftet

Der Tod eines geliebten Menschen nach langer Partnerschaft ist nie leicht zu verkraften. Menschen in höherem Alter leiden oft besonders darunter. Studiendaten aus Dänemark zeigen, dass vor allem Männer Gefahr laufen, kurz nach dem Tod der Partnerin selbst zu sterben. Es gibt aber Wege, die Trauer ertragbarer zu machen und für eine derart schwierige Situation vorzubeugen.

Nach dem Tod des Partners oder der Partnerin trauern Menschen oft jahrelang – und das aus gutem Grund, meint die Altersforscherin und Psychologieprofessorin Daniela Jopp von der Schweizer Universität von Lausanne: “Das ist in der Regel ja eine Person, mit der man eine deutliche Lebenszeit geteilt hat und mit der man sich aus gutem Grund zusammengetan hat. Also meistens ist es eben eine Person, die dann doch sehr fehlt, wenn sie nicht mehr da ist.“

Jeder Mensch trauert anders und braucht dafür unterschiedlich lange. Das Bewältigen einer Trauerphase sei aber wichtig, um mit dem Tod des Partners oder der Partnerin besser zurechtzukommen. „In den meisten Fällen dauert es rund sechs bis zwölf Monate, bis es den Betroffenen wieder ein bisschen besser geht – nicht umsonst spricht man vom Trauerjahr“, erklärt Jopp gegenüber science.ORF.at.

Witwen-Effekt vor allem bei Männern

Vielen Menschen bleibt die Trauerbewältigung aber verwehrt, denn sie versterben kurz nach dem Ableben ihrer Partner selbst. Am häufigsten sind Personen in höherem Alter davon betroffen – man spricht vom sogenannten Witwen-Effekt, der vor allem bei emotional eng verbundenen Paaren auftritt.

Männern setzt der Verlust der Partnerin scheinbar besonders stark zu. Studiendaten aus Dänemark zeigen, dass Männer im Alter zwischen 65 und 70 Jahren kurz nach dem Verlust der Partnerin ein bis zu 70 Prozent höheres Sterberisiko aufweisen als nicht verwitwete Männer im gleichen Alter. Bei gleichaltrigen Frauen erhöht sich das Sterberisiko hingegen nur um 27 Prozent. Für die umfangreiche Analyse wurden Daten von knapp einer Millionen Däninnen und Dänen analysiert, die zum Zeitpunkt der Untersuchung 65 Jahre oder älter waren.

Rollenverteilung mitverantwortlich

Gründe für die in der Studie erhobenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es laut Jopp viele. Unter anderem spiele in den Statistiken wahrscheinlich auch die ohnehin geringere Lebenserwartung der Männer eine Rolle.

Andererseits sei aber auch die Rollenverteilung in der Beziehung oft ausschlaggebend dafür, dass Männer stärker unter dem Verlust der Partnerin leiden. „Es gibt doch viele Paare, in denen sich die Ehefrau um die Gesundheit und die sozialen Kontakte kümmert und auch darum, dass jeden Tag ein gutes Essen auf dem Tisch steht“, sagt Jopp und ergänzt: „Man kann sich also vorstellen, dass ein Ehemann, der so eine pflegliche Frau verliert, größere Konsequenzen erleidet.“

Ausbruch aus Norm belastet

Die dänische Studie zeigte außerdem, dass Männer zwischen 65 und 70 Jahren nach dem Verlust der Partnerin rund drei Jahre lang ein erhöhtes Sterberisiko aufweisen. Bei älteren Männern normalisiert sich das Risiko hingegen schon nach etwa einem Jahr.

Das könne daran liegen, dass der Verlust der Partnerin ab einem gewissen Alter die gesellschaftliche Norm oder zumindest zum Teil erwartbar ist, meint Jopp – wenn der Tod davor eintritt, kann das bei den Trauernden für zusätzlichen Stress sorgen und sie stark belasten. „Bei jüngeren Menschen kommt der Tod der Partnerin oder des Partners zu einem Zeitpunkt, in dem es keinen gesellschaftlichen Rahmen dafür gibt – Leute im Umfeld sind oft so erschrocken, dass sie selbst nicht wissen, wie sie mit dem Verlust umgehen sollen. Die Unterstützung für die Betroffenen bleibt oft aus“, sagt die Altersforscherin.

Allerdings stellt Jopp auch klar, dass nicht jede Person automatisch gefährdet ist, vom Witwen-Effekt betroffen zu sein. Vielen Menschen geht es nach einer bestimmten Trauerphase wieder besser. „Untersuchungen haben gezeigt, dass sich fast die Hälfte der Betroffenen wieder gut erholt – nur bei einem kleinen prozentualen Anteil kommt es tatsächlich zu chronischen Depressionen oder ernsten gesundheitlichen Problemen“, so Jopp.

Vorbeugen für den Ernstfall

Bereits während der Beziehung könne man aber mit bestimmten Maßnahmen vorbeugen, um mit einer so schwierigen Situation besser zurecht zu kommen. Es lohnt sich laut der Altersforscherin etwa immer, sich aktiv um die eigene Gesundheit zu kümmern, um im Fall der Fälle möglichst gut dazustehen. „Ein anderer wichtiger Punkt ist auch, schon in der Beziehung Leidenschaften oder Hobbies zu entwickeln – also irgendetwas, mit dem man sich auch außerhalb der Partnerschaft beschäftigen kann“, sagt Jopp.

Außerdem helfe es, Angelegenheiten wie das Aufsetzen eines Testaments frühzeitig zu regeln. „Es ist natürlich nicht einfach, schon während der Beziehung aktiv über Dinge wie den Tod zu sprechen, aber es kann im Ernstfall dabei helfen, Konflikte im sozialen und familiären Umfeld während der Trauerzeit zu verhindern“, erklärt die Altersforscherin.

Unterstützung aus dem Umfeld

Wichtig sei auch, die sozialen Kontakte schon in der Beziehung zu pflegen, um nach dem Tod des Partners nicht komplett zu vereinsamen. Auch das familiäre Umfeld spielt dabei eine große Rolle, und sollte die Trauernden aktiv unterstützen. „Man darf sich nicht aufdrängen, sollte aber trotzdem schauen, was man tun kann, um praktische und emotionale Unterstützung anzubieten. Oft reicht es ja schon einfach nur da zu sein, wenn man gebraucht wird“, sagt Jopp.

Nicht jede Person trauert gleich – manche zeigen ihre Gefühle, andere nicht. Wichtig sei für die Familie und das soziale Umfeld daher auch, Betroffene nicht zu verurteilen, wenn sie auf den Tod der Partnerin oder des Partners nicht wie erwartet reagieren.

Selbstwert und Identität

Klar ist aber auch, dass nicht jede Person auf ein soziales oder familiäres Umfeld zurückgreifen kann. Auch dann sollte man laut Jopp aber nicht die Hoffnung verlieren. Wer plötzlich alleine dasteht, dem rät die Altersforscherin, sich aktiv auf die eigene Identität zu konzentrieren. „Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Gefühl von Selbstkontinuität ganz wichtig ist, um aus so einer Situation wieder herauszukommen“, erklärt sie.

Es sei aber auch klar, dass das alles andere als einfach ist. Der Verlust der Partnerin oder des Partners sei immer eine Erschütterung der eigenen Identität. „Plötzlich ist man eben nicht mehr Ehefrau oder Ehemann“, so Jopp. Menschen, denen es gelingt, die neue Situation in Beziehung zur Paarzeit, aber auch zur Zeit davor zu setzen, kommen laut der Altersforscherin oft sehr viel besser zurecht.

Zeit für eigene Bedürfnisse

Vor allem bei Paaren, bei denen ein Partner lange pflegebedürftig war, sei das oft ein Problem. Die ganze Kraft und Liebe wird in die Pflege gesteckt, für das eigene Leben sind die Reserven aufgebraucht. Der Tod des Partners oder der Partnerin belastet dann besonders.

Der Verlust kann in manchen Fällen aber auch eine Art Erleichterung sein – sowohl für die Verstorbenen als auch für ihre Partnerinnen und Partner. „Es hilft sicher, sich immer wieder einmal bewusst zu machen, dass es meinem Mann oder meiner Frau jetzt nach einem langen Kampf vielleicht besser geht“, so Jopp. Menschen, die ihre Zeit jahrelang mit der Pflege ihrer Partner verbracht haben, bekommen die Möglichkeit, sich auch wieder auf ihre eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren.

In diesen Fällen sei Unterstützung von außen besonders wichtig. Falls diese ausbleibt, rät Jopp auch Personen in höherem Alter unbedingt dazu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. „In Therapiesitzungen kann man gut am Selbstwertgefühl und dem Finden der eigenen Identität arbeiten“, erklärt sie.

Professionelle Hilfe empfohlen

Noch sehr wenige Menschen suchen laut der Altersforscherin nach einem Partnerverlust aber tatsächlich Hilfe beim Therapeuten. Vor allem Personen in höherem Alter seien oft skeptisch und glauben, mit ihrer Trauer selbst klarkommen zu müssen. Für Jopp sind das oft vergebene Chancen: „Diese Hilfe ist da, wird aber nicht angenommen. Je kürzer man die Trauerphase gestalten und je besser man die Situation aufarbeiten kann, desto eher kommt man aber auch wieder auf die Beine und kann sein Leben weiterleben. Dabei kann der Besuch beim Therapeuten oder der Therapeutin auf jeden Fall helfen.“