Eine Familie mit Vater, Mutter und Kind im Sonnenuntergang vor einem Hügel
kerkezz – stock.adobe.com
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Künstliche Zeugung

Kinder profitieren von offenem Umgang

Eine Langzeitstudie der Universität Cambridge hat Familien, die mit Eizellenspenden, Spermaspenden und Leihmutterschaft Kinder bekommen haben, begleitet und die Entwicklung der Kinder und ihr psychisches Wohlbefinden untersucht. Das Ergebnis: Frühe Aufklärung der Kinder scheint der Schlüssel zu einem glücklichen Familienleben zu sein.

In vielen Ländern gibt es Spermaspenden seit gut 50 Jahren, beispielsweise in Deutschland. Dort lautete die Empfehlung vieler Ärztinnen und Ärzte an die werdenden Eltern zunächst, die biologische Herkunft des Kindes zu verschweigen. Das trug dazu bei, solche reproduktionsmedizinischen Maßnahmen zu tabuisieren und verunsicherte viele Betroffene. Die Studie der Universität Cambridge zeigt nun aber: Im Alter von 20 Jahren geht es den Kindern genauso gut, wie natürlich gezeugten – sofern sie früh über ihre biologische Herkunft aufgeklärt werden.

Aufklärung vor Schuleintritt

Heute zählen nicht nur Spermaspenden zur assistierten Reproduktion, auch Eizellenspenden und Leihmutterschaft, doch nicht alle Methoden sind in allen Ländern Europas legal. Die Studie begleitete 65 Familien, die mit diesen Methoden Kinder auf die Welt brachten und legte dabei besonderes Augenmerk auf das Alter, in dem die Kinder über ihre biologische Herkunft aufgeklärt wurden. Sie wurden mit 52 Familien verglichen, die ohne Reproduktionsmedizin Kinder bekamen. Wurden die Kinder vor Schuleintritt über ihre biologische Herkunft aufgeklärt, war die Beziehung zu den Eltern im Alter von 20 Jahren mehrheitlich positiv, vergleichbar mit den Kindern aus der Vergleichsgruppe.

Auch die Mütter zeigten positivere Ergebnisse: Klärten sie das Kind vor dem siebten Geburtstag über die biologische Herkunft auf, zeigten auch sie Jahre später weniger Anzeichen für Depressionen und Angstzustände. In der letzten Befragung, 20 Jahre nach der Geburt, schnitten sie bei der Qualität der Familienbeziehungen, bei der Akzeptanz des Kindes und bei der Familienkommunikation besser ab, als jene Mütter, die ihrer Kinder erst nach dem Alter von sieben Jahren aufklärten. Nur sieben Prozent der früh Aufklärenden berichteten von Familienproblemen im Vergleich zu 22 Prozent bei den Mütter, die später aufgeklärt hatten.

Qualität der Familienbeziehung profitiert

Auch die Kinder, die vor einem Alter von sieben Jahren über ihre biologische Herkunft aufgeklärt wurden, zeigten bei diesen Befragungen im Alter von 20 Jahren bessere Ergebnisse, etwa bei der Akzeptanz der Eltern, der Kommunikation und dem psychischen Wohlbefinden. Ging es um die Qualität der Familienbeziehungen gab die Hälfte der jungen Erwachsenen, die nach dem siebten Geburtstag aufgeklärt wurden, Probleme an. Bei den früher Aufgeklärten waren es nur 12,5 Prozent.

Mit Kindern offen über ihre Zeugung, ihre Herkunft zu sprechen, könnte einen positiven Effekt haben, sagt Studienleiterin Susan Golombok in einer Presseaussendung. Ein ganz ähnliches Phänomen wurde laut der Psychologin auch in Studien zu Familien mit Adoptivkindern gezeigt.

Die Kinder, die früh aufgeklärt wurden, zeigten auch keine negativen Gefühle im Hinblick auf ihre Zeugung. Einige Unterschiede konnten die Psychologinnen und Psychologen der Universität Cambridge jedoch feststellen: Bei einer Eizellenspende empfanden Mütter die familiären Beziehungen im Mittel weniger positiv als Mütter, die das Kind mit eigener Eizelle und Spermaspende auf die Welt brachten. Das könnte auf Unsicherheiten wegen einer fehlenden genetischen Verbindung hinweisen. Bei den jeweiligen Kindern zeigte sich das allerdings nicht.

Spermaspende als Tabuthema

Bei Spermaspenden zeigte sich ein anderes Bild. Die jungen Erwachsenen, die mit einer Spermaspende gezeugt wurden, berichteten von einer schlechteren Familienkommunikation, als jene durch Eizellenspende gezeugten. Vielen Väter dürften es widerstreben, über die Spermaspende und ihre Zeugungsunfähigkeit zu sprechen. Die Studie zeigt, dass nur 42 Prozent der Familien, die eine Spermaspende empfangen hatten, das Kind darüber vor dem Alter von 20 aufgeklärt haben. Bei den Familien mit Eizellenspende waren es mit 88 Prozent wesentlich mehr. Bei Familien mit Leihmutterschaft sogar 100 Prozent.

Auch in Österreich falle es viele Vätern und Müttern nach wie vor schwer, offen über reproduktionsmedizinische Maßnahmen zu sprechen, sagt der Reproduktionsmediziner Andreas Obruca, Präsident der Österreichischen IVF-Gesellschaft. In-Vitro-Fertilisation (IVF), also künstliche Befruchtung, gibt es hier seit Anfang der 1980er Jahre, Samenspenden sind seit 1992 möglich. „Vor 30 Jahren war es ein noch größeres Tabuthema, aber es ist auch heute immer noch tabuisiert“, so Obruca.

Unterstützung durch Psychologinnen

Die Kinderwunschzentren in Österreich arbeiten deswegen auch mit Psychologinnen und Psychotherapeuten zusammen, um die Eltern zu unterstützen beziehungsweise um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in Gruppen auszutauschen, erzählt Obruca. Und die Eltern werden ermutigt, offen mit den Kindern zu sprechen. „Wir plädieren dafür, dass die Paare altersangepasst schon frühzeitig anfangen, das Kind über die Situation aufzuklären, dass es eigentlich etwas ganz Normales, Natürliches und nichts zu verheimlichen ist.“

Die gesetzliche Regelung zu Samen- und Eizellenspenden sieht in Österreich vor, dass Kinder ab dem Alter von 14 Jahren die Möglichkeit haben, die Identität der Spenderin bzw. des Spenders zu erfahren. In Österreich sind zwar Samenspenden und Eizellenspenden möglich, Leihmutterschaft jedoch nicht. Und die Eizellenspende ist restriktiv geregelt: Die Spenderin darf nicht älter als 30 Jahre alt sein und keinen Kostenersatz oder Schmerzensgeld dafür erhalten. Da es sich bei der Spende um einen Eingriff handelt, dem eine Hormonbehandlung vorausgeht, ist das Spendenaufkommen in Österreich niedrig.

Gesetzeslage im Vergleich restriktiv

Viele weichen ins Ausland aus, etwa nach Tschechien. „Das führt dazu, zumindest an unserem Kinderwunschzentrum an der Wien, dass etwa 10 Prozent der Eizellenspenden in Österreich stattfinden und 90 Prozent der Spenden im Ausland, meist in Tschechien, durchgeführt werden“, erklärt Obruca. In Österreich wurden 2021 etwa 4.000 Kinder mit Hilfe einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme geboren, dem gingen etwa 18.000 Behandlungen voraus.

Davon ausgeschlossen sind nach wie vor alleinstehende Frauen, anders als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Österreichische IVF-Gesellschaft setzt sich deswegen für eine Gesetzesänderung ein, auch was „Social Freezing“ betrifft: Eizellen und Sperma als junger Mensch für einen späteren Kinderwunsch einzufrieren ist in Österreich nicht möglich.