Petrischale mit Bakterien
APA/dpa/Daniel Karmann
APA/dpa/Daniel Karmann
Mikrobiologie

„Alkoholisierte“ Bakterien erzeugen mehr Antibiotika

Bakterien stellen viele Antibiotika her, aber nur in Kleinstmengen für den Eigengebrauch, um Konkurrenz auszuschalten. „Alkoholisiert“ man sie, erhöhen sie die Antibiotikaproduktion drastisch, berichten Wiener Biotechnologen.

Imitiert man den „Alkoholstress“ durch Ausschalten eines Hemmsignals in den Bakterien, steigt sie sogar über tausendfach, erklärt Sergey Zotchev vom Department für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Wien in einer Aussendung des Wissenschaftsfonds (FWF).

Drei entscheidende Gene

Mit einem Team untersuchte er, welche Gene bei einem Alkoholschock in „Streptomyces venezuelae“-Bakterien an- und ausgeschaltet werden, und welche Stoffwechselprodukte die Mikroben dann vermehrt oder weniger herstellen. „Streptomyceten sind Bakterien, die gut bekannt sind als vielseitige Produzenten von nicht lebensnotwendigen Stoffwechselprodukten, aus denen schon einige Arzneimittel für Menschen gegen Infektionen und Krebs entwickelt wurden“, schreibt das Team im Fachmagazin „Microbiology Spectrum“. Unter anderem erzeugen sie das Breitbandantibiotikum „Chloramphenicol“.

„Die untersuchten Streptomyces venezuelae-Bakterien haben eine Besonderheit“, erklärten sie: „Wenn sie dem Alkohol Ethanol ausgesetzt werden, fahren sie ihre Antibiotikaproduktion drastisch hoch.“ Wie dies funktioniert, konnten die Forscher anhand der Änderungen in den genetischen- und Stoffwechsel-Aktivitäten nun feststellen. Sie wiesen auf drei sogenannte „Sigma-Faktoren“ hin, das sind Signalgeber, die Gene als Reaktion auf Umweltreize an- oder ausschalten.

Zwei der Studienautoren, Olga Sekurova und Sergey Zotchev von der Universität Wien im Labor
Universität Wien
Zwei der Studienautoren, Olga Sekurova und Sergey Zotchev von der Universität Wien

Bakterium wird zu Antibiotikafabrik

„Wir eliminierten die Sigma-Faktor-Gene einzeln und fanden bei einem heraus, dass dies eine besonders starke Wirkung auf die Produktion des Antibiotikums Chloramphenicol hatte“, erklärte Zotchev: Sie erhöhte sich ohne den Sigma-Faktor um das 1.700-fache.

„Offenbar überwacht dieser Sigma-Faktor die Verwendung von Genen, die die Antibiotikaproduktion hemmen“, so der Forscher. Ein Umweltreiz wie etwa ein Ethanol-Schock bewirkt, dass der Sigma-Faktor herunterreguliert wird, und die Hemmschwelle sinkt. Dasselbe passiert, wenn man die Bauanleitung (das Gen) für den Sigma-Faktor entfernt. „Der Syntheseapparat rattert los und das Bakterium verwandelt sich in eine wahre Antibiotikafabrik“, so Zotchev in der Aussendung des FWF, der die Forschungsarbeiten finanzierte.