Ragweed
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Invasive Arten

Schädlicher als Naturkatastrophen

Eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten verursachen Kosten, die die Schäden von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Überschwemmungen übertreffen. Das zeigte ein internationales Forschungsteam auf, dem der Biodiversitätsforscher Franz Essl angehört.

Die Schäden durch invasive Arten stiegen seit der Jahrtausendwende viel schneller als jene durch Naturkatastrophen, wie die im Fachjournal „Perspectives in Ecology and Conservation“ veröffentlichten Studie zeigt. Immer mehr Tiere und Pflanzen werden durch menschliche Aktivitäten aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet verschleppt – bewusst und unbewusst. Die Folgen dieser Neobiota sind oft harmlos, können aber auch schwere Auswirkungen haben und hohe Schäden verursachen.

„Einige gebietsfremde Arten werden für heimische Arten zum Problem – als Räuber, Konkurrenten um Nahrung und Lebensraum oder Überträger von Krankheiten“, so Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien in einer Aussendung. Als Beispiele für Mitteleuropa nennt Essl etwa die Pflanze Ragweed mit stark allergenen Pollen, den Maiswurzelbohrer, ein gefährlicher Schädling im Maisanbau, und die bei Imkern gefürchtete Varoa-Milbe.

„Bewusstsein gering“

„Das Bewusstsein für eingeschleppte Arten ist jedoch im Vergleich zu jenem für Naturgefahren nach wie vor gering, und Investitionen zur Bewältigung von Neobiota sind nach wie vor stark unterfinanziert und werden verzögert“, schreibt das Forschungsteam. Daher haben sie nun erstmals die Kosten der durch invasive Arten verursachten Schäden kalkuliert und mit jenen von Naturkatastrophen verglichen.

Einer seit Kurzem vorliegenden Datenbank zu den weltweiten Kosten invasiver Arten zufolge verursachten die Neobiota zwischen 1980 und 2019 weltweit einen Schaden in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar (standardisiert auf US-Dollar 2020). Übertroffen wurden diese Schäden nur durch jene von Stürmen, die in diesem Zeitraum 1,9 Billionen US-Dollar betrugen. Dafür liegen die wirtschaftlichen Verluste durch invasive Arten über jenen durch Erdbeben und Überflutungen mit jeweils 1,1 Billionen US-Dollar und sind um ein Vielfaches höher als die Schäden durch Dürren, Waldbrände und andere Naturkatastrophen.

Als konkretes Beispiel verweist Essl auf eine 2012 veröffentlichte Studie, die die direkten, durch Ragweed in Deutschland verursachten Kosten auf mindestens 827 Mio. Euro jährlich geschätzt hat, etwa durch die Behandlungen der Allergiker bzw. durch deren krankheitsbedingte Fehlzeiten. „Da Ragweed in Österreich häufiger ist und sich die Art in den vergangenen zehn Jahren deutlich ausgebreitet hat, lässt sich näherungsweise – und bewusst konservativ – abschätzen, dass die Kosten für Österreich durch diese Art im Minimum bei etwa 80 Mio. Euro jährlich liegen“, so Essl.

Essl: Strikte Umsetzung von EU-Verordnung notwendig

„Das Ergebnis hat uns selbst überrascht“, sagt Koautor Phillip Haubrock vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt zur aktuellen Studie. Zudem seien die Schäden invasiver Arten seit der Jahrtausendwende im Vergleich zu jenen im Zeitraum 1980 bis 1999 um 700 Prozent gestiegen. Der Anstieg lag damit wesentlich höher als jener bei den Kosten durch Naturkatastrophen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erachten es daher für wichtig, noch besser als bisher jene Arten frühzeitig zu identifizieren, die unter dem Einfluss des Klimawandels schwere Schäden verursachen können. Die Einschleppung solcher Arten gelte es, frühzeitig zu verhindern. „Es ist daher wichtig, die seit dem Jahr 2015 gültige EU-Verordnung zu invasiven Arten strikt umzusetzen und durch nationale Gesetze zu ergänzen“, so Essl.

Für Österreich würde sich Essl eine „deutlich ambitioniertere Umsetzung“ der EU-Verordnung wünschen. Zuständig dafür seien die Bundesländer, aber auch andere Behörden wie der Zoll, der für die phytosanitären Inspektionen von Importen zuständig ist. Das mache die Koordination der Umsetzung schwierig, so der Experte, der es für wichtig hielte, „besonders für proaktive Maßnahmen wie Importkontrollen oder rasche Bekämpfung neu eingeschleppter Arten deutlich mehr an Ressourcen einzuplanen.“ Über einen eigenen gemeinsam finanzierten „Neobiota Rapid Response Fonds“ könnten solche Maßnahmen rasch finanziert werden.