Möwe, Möwen, Vogel,
MeerPixel – stock.adobe.com
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H5N1

Wie gefährlich ist die Vogelgrippe?

Die Weltorganisation für Tiergesundheit warnt vor der Variante H5N1 des Vogelgrippevirus: Es sei in den letzten Monaten zu einer bisher nicht da gewesenen Zahl von Ausbrüchen gekommen, auch ungewöhnlich viele Infektionen bei Säugetieren wurden beobachtet.

H5N1 heißt die gefährliche Virusvariante, die erstmals Mitte der 1990er Jahre in chinesischen Geflügelfarmen nachgewiesen wurde. Bis vor kurzem war die von ihr ausgelöste Vogelgrippe eine saisonale Angelegenheit, mit Ausbreitungswellen von Asien Richtung Westen. Doch dieses Muster hat sich in jüngster Zeit komplett geändert, sagt Veterinärmediziner Timm Harder vom deutschen Friedrich-Löffler-Institut.

„Lage dramatisch“

Der Leiter des Referenzlabors für Aviäre Influenza schätzt die Lage „global als dramatisch“ ein. Denn die geografische Ausbreitung des Virus erstrecke sich mittlerweile über alle Kontinente, ausgenommen seien bloß Australien und die Antarktis. Vor allem Nord- und Südamerika seien seit dem letzten Jahr massiv von Infektionswellen betroffen. Aber auch die Vogelwelt Europas sei von der veränderten Epidemiologie des Virus nicht verschont geblieben.

Während der Erreger in früherer Zeit vor allem über Zugvögel wie zum Beispiel Gänse und Enten nach Europa gekommen ist, hat er sich nun in der freien Wildbahn festgesetzt. Er ist nun offenbar das ganze Jahr über aktiv – und hat in den letzten Monaten zu einem Massensterben in Kolonien von Möwen, Basstölpeln und Seeschwalben geführt.

Auch landwirtschaftliche Betriebe sind betroffen: Die Weltorganisation für Tiergesundheit hatte in den letzten Monaten etwa von Ausbrüchen in deutschen, vereinzelt auch österreichischen Geflügelfarmen berichtet, ganz schlimm erwischt hat es offenbar die Entenzucht in Frankreich. „Die sind massiv betroffen, die Produktion befindet sich quasi kurz vor dem Ruin“, sagt Harder.

Seitens der EU hat man bereits reagiert, eine neue Verordnung hat nun den Weg frei gemacht für Impfungen, derzeit befinden sich einige Kandidaten bei der EMA in Zulassung. Ein Allheilmittel dürfte die Vogelgrippeimpfung allerdings nicht sein. Denn wie die Erfahrungen im Mittleren Osten, in Nordafrika und Asien zeigen, ist die Impfung nicht nur mit hohem organisatorischem Aufwand und beträchtlichen Kosten verbunden. Sie führt auch zu dem Dilemma, das man bereits von der humanen Grippe oder auch dem Coronavirus kennt: Impfstoffe müssen regelmäßig angepasst werden, ansonsten schwindet die Schutzwirkung.

Evolutionssprung durch Genaustausch

Ursache für das veränderte Infektionsverhalten dürfte jedenfalls eine genetische Veränderung sein, der Erreger hat sich in den letzten Jahren Genmaterial von harmloseren Viren sozusagen einverleibt („Reassortierung“) und dadurch eine bessere Anpassung an seine Vogelwirte erreicht.

Nachdem es nun eine hohe Zahl an verendeten und geschwächten Vögeln gibt, haben sich in Folge auch ungewöhnlich viele Säuger, speziell solche aus der Gruppe der Raubtiere angesteckt. Füchse beispielsweise entwickeln dadurch häufig eine tödliche Gehirnhautentzündung – was wiederum die Frage aufwirft: Ist das mutierte Virus auch für den Menschen gefährlich?

Wie gefährlich für den Menschen?

Infektionsfälle mit Vogelgrippeviren sind im Prinzip möglich, in China und Chile wurde jüngst sogar von zwei Todesfällen berichtet, dies allerdings bei Patienten mit schweren Vorerkrankungen. Das müsse man beobachten, sagt Timm Harder – und betont: Der Erreger sei derzeit noch immer an Vögel angepasst, von einer Epidemie sei man noch weit entfernt.

Der Grund: Ansteckungen von Mensch zu Mensch sind momentan nur durch sehr engen Kontakt möglich, Säugetiere sind für das Virus – noch – eine Sackgasse, so Harder: „Dieses Virus hat es nicht geschafft, sich in einer Säugerspezies einschließlich des Menschen zu etablieren und dort unabhängige Infektionsketten zu initiieren. Das ist die gute Nachricht“. Ähnlich sieht das übrigens die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie schätzt das Risiko für den Menschen durch H5N1 derzeit als mittel bis gering ein.

Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass dem Erreger durch weitere Mutationen der Wirtswechsel Richtung Säuger inklusive des Menschen gelingen könnte. Harder geht davon aus, dass sich dann auch die Infektionswege im Körper verändern würden. Derzeit befällt der Erreger tiefe Lungenschichten und kann schwere bis lebensgefährliche Lungenprobleme auslösen. Sollte der Erreger seine Vermehrung auf oberflächliche Schichten ausweiten, würde das zwar einerseits seiner Vermehrung dienen. Andererseits sollten dann auch die Symptome milder werden.