Trockenheit in Afghanistan, der Ort Haji Rashid Khan
AFP/HOSHANG HASHIMI
AFP/HOSHANG HASHIMI
Prognose

Wo Hitzewellen zu erwarten sind

Mit der Erderwärmung werden Hitzewellen wie zuletzt in Spanien weltweit mehr. Eine Studie zeigt nun, wo solche Extremereignisse in Zukunft sehr wahrscheinlich sind. Weniger entwickelte Länder und Regionen wie Afghanistan, Papua-Neuguinea und Mittelamerika werden allerdings stärker darunter leiden als das ebenfalls betroffene Zentraleuropa und manche Gebiete in China.

Hitzewellen können tödlich sein, aber eine bessere Vorbereitung darauf kann Leben retten, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Vikki Thompson von der University of Bristol im Fachmagazin „Nature Communications“. Das Problem sei, dass hilfreiche Gegenmaßnahmen – z.B. öffentliche Kühlzentren oder das Verbot von Arbeiten im Freien – oft erst ergriffen werden, nachdem eine Region, eine Stadt oder ein Land von solchen – zuvor oft unerwarteten – Extremereignissen betroffen war. Um vorausschauender planen zu können, haben Thompson und ihr Team für ihre soeben erschienene Studie berechnet, wo extreme Hitzewellen in Zukunft zu erwarten sind und welche Gegenden besonders unter Hitzewellen leiden werden, unter anderem weil sie schlecht vorbereitet sind.

Hinweis

Mit Forschungsarbeiten wie dieser versucht der Verlag Springer Nature übrigens derzeit, die UNO-Nachhaltigkeitsziele sichtbarer zu machen. Man bemühe sich Informationen und Erkenntnisse zu veröffentlichen, die dabei helfen, die gegenwärtigen Herausforderungen zu meistern, heißt es dazu auf der Presseseite.

Jenseits des Erwartbaren

Zuerst wurde auf Basis vergangener Wetteraufzeichnungen abgeschätzt, wie wahrscheinlich bzw. selten eine Hitzewelle und neue Temperaturrekorde in einer Region grundsätzlich sind. Angewandt auf konkrete Ereignisse wie etwa die Hitzewelle in Nordamerika im Juni 2021 lässt sich mit Hilfe der statistischen Extremwertmethode etwa erkennen, dass die gemessenen Temperaturen eindeutig jenseits des statistisch erwartbaren Maximums lagen. Der Spitzenwert von 49,6 Grad in Lytton (Kanada) war um ganze fünf Grad höher als der bisherige Rekord, heißt es in der Studie. Verantwortlich war eine ungewöhnliche Luftzirkulation. Die habe dazu geführt, dass sich die warmen Luftmassen kaum weiterbewegten.

Mit derselben Methode haben die Forscherinnen und Forscher anschließend für große Teile der bewohnten Welt die Wahrscheinlichkeit für vergangene Hitzewellen berechnet. Dabei zeigte sich, dass viele der in den vergangenen Jahrzehnten weltweit aufgetretene Extremereignisse jenseits des Erwartbaren waren. In knapp einem Drittel aller Regionen, wo man auf verlässliche Aufzeichnungen von 1959 bis 2021 zurückgreifen kann, gab es solche unwahrscheinlichen Rekorde, und zwar auf allen Kontinenten und in allen Breitengraden – ohne erkennbares Muster, aber mit einer Häufung in den letzten Jahren.

Weltkarte: Prognosemodell für Hitzewellen weltweit
University of Bristol
Weltkarte zeigt Risiko für zukünftige Hitzewellen

Für den Blick in die Zukunft wurden die Analysen der Beobachtungsdaten außerdem mit verschiedenen Klimamodellen kombiniert. Wie die Autoren und Autorinnen in der Studie allerdings betonen, seien die Zusammenhänge im Detail oft sehr komplex und keineswegs linear, denn auch lokale Gegebenheiten spielen eine wichtige Rolle, etwa die Feuchtigkeit der Böden oder die Luftverschmutzung. Eine globale Prognose enthalte daher immer auch Ungenauigkeiten.

Jederzeit und überall

Grundsätzlich könnten statistisch unwahrscheinliche Hitzewellen jederzeit und überall auftreten, schreiben Thompson und Co. Dort, wo das in den vergangenen 62 Jahren nicht der Fall war, sei man aber meist weniger gut darauf vorbereitet. Die Auswirkungen wären daher dort vermutlich deutlich spürbarer; insbesondere in Ländern, die wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt sind, wo es schon jetzt sehr warm ist, die Gesundheitsversorgung sowie die Energieversorgung mangelhaft ist und die Bevölkerung stark wächst.

In acht Regionen sind laut den Forschern und Forscherinnen rekordverdächtige Hitzewellen zu erwarten: in Zentraleuropa (Deutschland, Niederlande, Belgien), China (Peking, Hebei, Tianjin), Australien (Queensland), im nordwestlichen Argentinien, im Osten Russlands, in Mittelamerika (Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, and Panama), in Papuaneuguinea und in Afghanistan. Die drei letztgenannten sind laut dem UNO Human Development Index Entwicklungsgebiete und daher der Studie zufolge besonders gefährdet. Afghanistan würde vermutlich am meisten unter den Folgen der Hitze leiden, weil die Bevölkerung in dem sehr armen Land weiter wächst. Die Bevölkerungsdichte sei auch in Europa oder China sehr hoch, aber reiche und entwickelte Länder hätten mehr Möglichkeiten, die negativen Folgen von Hitzewellen abzumildern.

Das Team um Thompson appelliert an Entscheidungsträger weltweit und insbesondere an solche in gefährdeten Regionen, rechtzeitig Aktionspläne für künftige Hitzewellen zu entwerfen. „Vorbereitung rettet Leben“, betont Koautor Dann Mitchell in einer Aussendung. Unerwarteten Hitzewellen hätten bereits Zehntausende Todesfälle weltweit verursacht. „Wir zeigen, dass solche rekordverdächtigen Ereignisse überall auftreten könnten. Die Regierungen der Welt sollten vorbereitet sein.“