Hand einer alter Frau
dpa-Zentralbild/Britta Pedersen
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Altersforschung

Armut erhöht Demenzrisiko

Die „Älteren unter den Alten“, die über 80-Jährigen, werden in Österreich im Rahmen einer einzigartigen Langzeitstudie begleitet. Die Ergebnisse der jüngsten Befragungsrunde zeigen, dass das Risiko für eine Demenzerkrankung im hohen Alter auch von Einkommen und Bildung abhängig ist – was eine umfassendere Prävention notwendig macht.

Die über 80-Jährigen sind die am schnellsten wachsende demographische Gruppe in Österreich. Ihr Anteil an der Bevölkerung soll sich in Europa bis zu Jahre 2060 mehr als verdoppeln. Wie es diesen Menschen gesundheitlich geht, ist folglich sozialpolitisch und gesundheitspolitisch höchst relevant, gerade mit Blick auf steigende Pflegekosten und fehlende Pflegekräfte. Sie stehen seit 2014 im Mittelpunkt einer einzigartigen Langzeitstudie, der Österreichischen Interdisziplinären Hochaltrigenstudie.

Einkommen wichtiger als Lebensalter

In der dritten Befragungsrunde, die 2022 abgeschlossen wurde, befragten die Forschenden um Projektleiter Georg Ruppe von der Österreichischen Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen (OPIA), 700 Menschen zu ihrem Gesundheitszustand, ihrem psychischen Befinden und ihren kognitiven Fähigkeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Drittel der Befragten leichte kognitiven Defizite hat, bei der Hälfte liegt eine „kognitive Verletzlichkeit“ oder sogar ein Demenzverdacht vor. Die Ergebnisse zeigen auch, dass über 80-Jährige mit einem niedrigeren soziökonomischen Status ein sehr viel höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken, als Menschen mit höherem Einkommen bzw. höherem Bildungsstand.

„Deutlich mehr Menschen, fast doppelt so viele, mit einem niedrigen sozioökonomischen Status, also insbesondere mit niedrigem Bildungsniveau, mit niedrigem Einkommen, niedrigerem allgemeinen Lebensstandard laufen Gefahr im hohen Alter eine Demenzerkrankung zu entwickeln als vergleichsweise Personen in besseren sozioökonomischen Verhältnissen“, so Ruppe. Einkommen, Bildung und Lebensstandard hätten folglich einen größeren Einfluss auf das Demenzrisiko als das Lebensalter an sich, ergänzt Ruppe.

Frauen stärker betroffen

Das habe mit einem allgemein schlechteren Gesundheitszustand zu tun, aber auch mit belastenden Arbeitsbedingungen, ungünstiger Ernährung, fehlender soziale Teilhabe und Isolation. All das seien Folgen geringer Bildung und niedrigen Einkommens, so Ruppe. „Und letztlich sind es auch negative persönliche Einstellungen gegenüber dem eigenen Altern oder der eigenen Gesundheit, die in sozioökonomisch schlechteren Verhältnissen tendenziell häufiger zu finden sind und die immer ungünstige Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Gesamtgesundheit sind“, so der Projektleiter weiter.

Der Einfluss der Lebensverhältnisse auf das Demenzrisiko hat auch zur Folge, dass Frauen über 80 häufiger von kognitiven Einschränkungen betroffen sind. Sie sind öfter von Altersarmut betroffen als Männer, ihr Gesundheitszustand ist insgesamt schlechter. Sie leiden tendenziell unter mehr chronischen Krankheiten, nehmen mehr Medikamente ein, sind im hohen Alter gebrechlicher.

Bildung als Präventionsstrategie

Nachdem Demenzerkrankungen in Österreich der häufigste Grund für eine Aufnahme in eine Pflegeeinrichtung sind, wäre ein umfassende Präventionsstrategie notwendig, so Ruppe. Auf individueller Ebene zählen dazu etwa eine ausgewogene Ernährung, kognitives Training sowie ausreichend Bewegung. Eine bessere medizinische Früherkennung könnte die Versorgung mit entsprechende Medikamenten verbessern und die Erkrankung verlangsamen. Aber die Prävention müsse auch die sozioökonomische Ungleichheit in den Blick nehmen, sagt Ruppe.

„Hier zu investieren, ist zwar vielleicht nicht unmittelbar sichtbare, aber doch langfristig enorm effektive Prävention“, so Ruppe. Die soziale Ungleichheit verschärfe sich gegenwärtig. Die Gesellschaft müsse hier auch im Sinn der Gesundheitsvorsorge entgegenwirken. "Wir dürfen die Verantwortung für das so oft zitierte „gesunde Altern" nicht den Einzelnen alleine zuschreiben“, so Ruppe. Es brauche also Investitionen in Gesundheitsbildung und Bildung allgemein und umfassendere Strategien, um benachteiligende Lebensumstände zu verbessern.