Weizenfeld
APA/HERBERT NEUBAUER
APA/HERBERT NEUBAUER

Wurzeln machen Weizen klimafit

Wie Weizen, Erdäpfel und Sojabohnen mit Dürre, Hitze und Nährstoffmangel zurechtkommen, hängt wesentlich vom Geschehen im Wurzelbereich ab. Die Ausscheidungen von Wurzeln spielen dafür eine zentrale Rolle. An der BOKU Wien wird nun dazu geforscht.

„Der Klimawandel setzt den hiesigen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen stark zu“, sagte Eva Oburger von der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien: „Deshalb ist es wichtig, widerstandsfähigere Kultursorten zu identifizieren und zu züchten.“ Weil die Wurzeln entscheidend dafür sind, wie gut Gewächse etwa mit Trockenheit, Nährstoffmangel und Staunässe zurechtkommen, untersucht sie mit Kolleginnen und Kollegen, welche unterirdischen Merkmale sie möglichst widerstandsfähig machen.

Stress wird von unten her bewältigt

In der Pflanzenzüchtung hat man bisher vor allem oberirdische, gut sichtbare Kennzeichen (Biomarker) der Gewächse berücksichtigt, so Oburger im Gespräch mit der APA: „Das macht ja auch Sinn, denn das sind oft jene Pflanzenteile, die man als Lebensmittel erntet.“ Allerdings spielen die Wurzeln für das Gedeihen eine große Rolle, weil sie es sind, die Wasser und Nährstoffe aus dem Boden holen. „Man darf auch nicht unterschätzen, wie wichtig sie für die Pflanzen sind, wenn es darum geht, Stress durch veränderte Umweltbedingungen abzufedern.“

Ein bekanntes Beispiel dafür seien die unterschiedlichen Winkel, in denen sich Wurzeln verzweigen: Bei Trockenstress ist ein tief in den Boden reichendes Wurzelsystem vorteilhaft, weil Wasser dann eher weiter unten zu finden ist. Allerdings ist etwa bei Phosphormangel ein flaches Wurzelsystem besser, denn dieser Nährstoff befindet sich vor allem im humusreichen Oberboden nahe der Oberfläche.

EU-Projekt für widerstandsfähiges Saatgut

Im EU-geförderten Projekt „Roots-2-Resilience“ („Wurzeln für Widerstandsfähigkeit“) untersucht Oburger zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus elf europäischen Ländern sowie Marokko und Südafrika systematisch, welche Anpassungen des Wurzelsystems die Widerstandskraft der Gewächse erhöhen: „Pflanzenzüchter stellen verschiedenstes Saatgut zur Verfügung, und wir testen die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen im Detail.“

„Mit Hilfe unserer Ergebnisse werden Pflanzengenetiker dann nach systematisch erfassbaren Kennzeichen für hohe Widerstandsfähigkeit auf dem Erbgut suchen“, so die Forscherin. Zusätzlich sollen neue mathematische Computermodelle helfen, zu verstehen, was sich im Boden-Pflanze-System bei Stress abspielt.

Ausscheidungen von Wurzeln wichtig für Boden

Speziell widmet sich die Forscherin am Institut für Bodenforschung der BOKU den Wurzelexsudaten, also den Ausscheidungen der Wurzeln. Diese Stoffwechselprodukte, die Pflanzen durch die Wurzeln an den Boden abgeben, spielen eine zentrale Rolle in vielen Prozessen im Wurzelraum (der Rhizosphäre) des Bodens und prägen die Interaktionen zwischen den Pflanzen und dortigen Mikroorganismen, so Oburger: „Meist werden diese Substanzen der Einfachheit halber bei Pflanzen untersucht, die in einer künstlichen Nährlösung wachsen.“

Doch die funktionellen Abläufe unterscheiden sich grundlegend, wenn eine Pflanze in Nährlösung oder in einem Boden mit all seinen Mikroben wächst. „Wenn es darum geht, die Boden-Mikroorganismen-Pflanze-Interaktionen zu verstehen, ist es essenziell, Wurzelexsudate in verschiedensten echten Böden zu analysieren.“

Oburger will sich nun genau ansehen, welche Wurzelexsudate diverse Sorten von Gerste, Weizen, Erdäpfeln, Acker- und Sojabohnen sowie Süßkartoffeln an den Boden abgeben und ob sich dies bei verschiedenen Umweltbedingungen ändert. Diese Erkenntnisse sollen dann gemeinsam mit jenen der anderen europäischen Forscherinnen und Forscher in der Pflanzenzüchtung genutzt werden, um klimawandelresiliente Nahrungsmittelpflanzensorten zu identifizieren und anbauen zu können.