Eine Frau wird in den Oberarm geimpft
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
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Ursache für seltene Myokarditis-Fälle entdeckt

In seltenen Fällen kann eine CoV-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff eine Herzmuskelentzündung auslösen, besonders gefährdet sind junge Männer. Aktuelle Studiendaten zeigen, dass wahrscheinlich eine Überreaktion des Immunsystems hinter der gut behandelbaren Nebenwirkung steckt.

Längere Pausen zwischen den Teilimpfungen könnten sinnvoll sein.

Das Risiko, nach einer CoV-Impfung an einer Myokarditis, also einer Herzmuskelentzündung zu erkranken, ist relativ gering. In einer israelischen Studie aus dem Jahr 2021 waren davon nur 54 von über zweieinhalb Millionen Menschen betroffen, nachdem ihnen ein auf der mRNA-Technologie basierender Impfstoff verabreicht wurde.

Infektion gefährlicher als Impfung

Außerdem ist mittlerweile bekannt, dass das Risiko für eine Myokarditis nach einer CoV-Infektion viel höher ist als nach der Impfung. Das belegt auch eine Untersuchung aus dem Vorjahr: Von über 42 Millionen Britinnen und Briten entwickelten knapp über 600 Personen nach der Impfung eine Herzmuskelentzündung. Nach einer Infektion war eine Myokarditis hingegen rund elfmal Mal häufiger.

Junge Männer am stärksten gefährdet

Trotzdem gehe von den mRNA-Impfungen ein zwar sehr seltenes, aber dennoch nicht zu unterschätzendes Myokarditis-Risiko aus, stellte die Immunologin Carrie Lucas von der Yale School of Medicine (USA) am Dienstag vor Journalisten klar. Am ehesten gefährdet seien junge Männer im Alter von ungefähr 17 Jahren. Im Zuge der CoV-Impfkampagnen stieg das Risiko bei dieser Personengruppe vor allem nach der zweiten Teilimpfung mit einem mRNA-Impfstoff.

Zusammen mit einem US-amerikanischen Forschungsteam untersuchte Lucas daher 23 größtenteils männlichen Probanden im Alter von 13 bis 21 Jahren. Sie alle hatten wenige Tage zuvor die zweite CoV-Teilimpfung mit einem mRNA-Impfstoff erhalten und daraufhin Symptome einer Myokarditis oder einer vergleichbaren Perikarditis (Herzbeutelentzündung) entwickelt. Dazu gehört etwa eine unerklärbare Kurzatmigkeit, starkes Herzklopfen, Unregelmäßigkeiten im Herzschlag und Fieber. Personen, die davor schon einmal mit dem Coronavirus infiziert waren, wurden von der Untersuchung ausgeschlossen.

Überreaktion des Immunsystems

In der aktuell im Fachjournal „Science Immunology“ präsentierten Studie zeigen die US-amerikanischen Forscherinnen und Forscher auf, dass die seltenen Myokarditis-Fälle wahrscheinlich mit einer Art Überreaktion des in jungem Alter noch sehr aktiven Immunsystems zusammenhingen.

Die Probandinnen und Probanden wurden in mehreren Untersuchungen genau analysiert. Unter anderem mit Proben des Blutes und des Blutserums wollte das Team klären, wie sich die Impfung auf die Immunantwort oder die Antikörperproduktion auswirkte. Gleichzeitig wurden Bilder von den Herzen der Probanden angefertigt, um etwaige Veränderungen und Entzündungsprozesse im Auge zu behalten. Auch in den Immunzellen selbst suchten die Expertinnen und Experten nach Auffälligkeiten und den grundlegenden Mechanismen, die zu dem erhöhten Myokarditis-Risiko führten.

Gesteigerte Abwehrreaktion

Das Forschungsteam fand heraus, dass im Körper der Betroffenen bestimmte Proteine, sogenannte Zytokine vermehrt aktiv waren. Zu ihren Hauptaufgaben gehört etwa das Aktivieren von Abwehrzellen, wodurch sie zum Beispiel in der Lage sind, Entzündungsprozesse zu beeinflussen. Die Proteine waren nicht nur besonders aktiv, bestimmte Zytokinwerte waren auch deutlich erhöht.

Ebenfalls deutlich erhöht waren die Signaturen bestimmter zytotoxischer T-Zellen, die unabdingbar für die Immunabwehr der Menschen sind. Die große Anzahl und Aktivität dieser Zellen ist laut dem Forschungsteam wahrscheinlich auf die hohen Zytokinwerte zurückzuführen. Die aktivierten T-Zellen führten demnach schließlich zum Einsetzen der Entzündungsprozesse. Warum diese Probleme nach den mRNA-Impfungen immer im Herzbereich auftreten, ist aktuell noch unklar.

Antikörper unschuldig

Im Rahmen der umfangreichen Analysen suchten die Forscherinnen und Forscher auch nach sogenannten Autoantikörpern, die sich gegen körpereigene Zellen richten können und lange in Verdacht standen, das Myokarditis-Risiko nach einer mRNA-Impfung zu erhöhen. Das Team konnte im Blutserum der Betroffenen aber keine Hinweise darauf finden.

Auch die vom Impfstoff hervorgerufenen Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind für Herzmuskelentzündungen laut den Ergebnissen der Untersuchungen nicht verantwortlich. „Wir können ausschließen, dass Autoantikörper oder übermäßige Mengen an Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern die Krankheit hervorrufen“, erklärte die ebenfalls an der Yale School of Medicine tätige Biologin Akiko Iwasaki.

Vor- und Nachteile kindlicher Immunität

Dass vor allem Kinder und junge Erwachsene das erhöhte Risiko einer Myokarditis aufweisen, liegt laut Lucas vor allem an ihrem besonderen Immunsystem. „Viele machen den Fehler und gehen davon aus, dass Kinder und Jugendliche auf Zellebene nur kleine Versionen von Erwachsenen sind. Das ist aber nicht der Fall, das Immunsystem jüngerer Personen hat viele Eigenschaften, die einzigartig sind und mit zunehmendem Alter verloren gehen“, erklärte die US-amerikanische Forscherin.

Das habe sich auch einmal mehr in der CoV-Pandemie gezeigt: Junge Personen ohne Vorerkrankungen gehörten nie zur Risikogruppe, bei der eine Infektion mit SARS-CoV-2 tatsächlich das Potenzial hatte, tödlich zu enden. „Diese Eigenschaften der Kinder und Jugendlichen haben viele Vorteile, sie können in manchen Fällen aber auch zu bestimmten unvorhergesehenen Reaktionen führen, etwa im Bereich der Entzündungsprozesse“, erklärte Lucas.

Längere Pausen (wahrscheinlich) vorteilhaft

Dass die Myokarditis von einer Überreaktion des Immunsystems stammt, erkläre laut Lucas auch, warum die Krankheit nach der Impfung in den meisten Fällen relativ einfach zu behandeln ist. „Mit normalen Mitteln und entzündungshemmenden Medikamenten geht es den Betroffenen oft schon nach wenigen Tagen wieder besser. Zuhause können sie sich dann nach kurzer Zeit meist vollständig erholen“, erklärte die Immunologin.

Das sei außerdem auch ein Zeichen dafür, dass sich die Überreaktion des Immunsystems im Körper der jungen Personen recht schnell wieder normalisiert. Lucas spekuliert daher, dass in vielen Fällen auch die zu kurze Zeit zwischen den CoV-Teilimpfungen für die Krankheitsausbrüche verantwortlich war. Personen, deren Immunsystem nach einer mRNA-Impfung überreagiert, könnten daher von einem längeren Abstand zwischen der ersten und zweiten Teilimpfung profitieren.

Nicht vom Virus abhängig

Aktuell komme es nur noch extrem selten zu Myokarditis-Fällen nach einer CoV-Impfung, stellte Lucas klar. Wenn sich junge Menschen überhaupt noch impfen lassen, ist der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Teilimpfungen meist größer.

Relevant seien die Erkenntnisse aus der Untersuchung aber dennoch, denn die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass das Risiko für eine Myokarditis nicht vom Virus abhängt, gegen den die Impfung eingesetzt wird. Auch bei künftigen Impfstoffen, die auf der mRNA-Technologie basieren, könnten Entzündungen im Herzbereich daher wieder zum Problem werden.