Argumente dafür fanden sich bei einer Studienreise des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research) diese Woche nach Rotterdam, Den Haag und Delft. ACR-Präsidentin Iris Filzwieser unterstrich dabei vor allem die kulturellen Unterschiede. In den Niederlanden würde es mehr Risikofreudigkeit und mehr Kooperation zwischen Wirtschaft und Forschung geben als in Österreich; eine pragmatischere und weniger hierarchische Diskussionskultur würde zu weniger Reibungsverlusten führen.
Innovativer und mehr Patente
Der Hintergrund: Im Global Innovation Index 2022 der UNO-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) kommen die Niederlande unter 132 untersuchten Ländern in der Gesamtwertung auf Rang 5, Österreich findet sich auf dem 17. Platz. Laut dem European Innovation Scoreboard sind die Niederlande zusammen mit Ländern wie Schweden, Finnland, Belgien und Dänemark „Innovation Leader“ in Europa. Österreich fällt in die zweithöchste Kategorie der „Strong Innovators“.
Bei den Anmeldungen beim Europäischen Patentamt (EPA) sieht es ähnlich aus – Österreich meldete hier 2022 weniger als die Hälfte Patente an als die Niederlande. Gleichzeitig wird hierzulande gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 3,2 Prozent deutlich mehr für Forschung und Entwicklung ausgegeben als in den Niederlanden mit 2,2 Prozent.

Start-ups, Steueranreize und 20-Mrd.-Fonds
Als Hauptzutaten für den trotzdem hohen Forschungs-Output sieht Michiel Sweers vom niederländischen Ministerium für Wirtschaft und Klima vor allem die Zusammenarbeit im Rahmen der sogenannten „Dreifach-Helix“ bestehend aus Regierung, Forschungs- und Bildungsinstitutionen sowie privaten Firmen, eine erstarkte Start-up-Landschaft und steuerliche Anreize für Unternehmen. „Hier wollen wir so verlässlich wie möglich für investierende Betriebe sein“, so Sweers.
Einen großen Schub gebe es durch einen Wachstumsfonds, über den im Zeitraum 2021 bis 2025 rund 20 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Themen wie Nachhaltigkeit und Energie, Sicherheit, Landbau, Wasser und Ernährung sowie Gesundheit.

Investiert wird in 25 Missionen, die von den Ministerien gemeinsam mit Forschungseinrichtungen und Unternehmen entwickelt worden sind. „Die Vorgangsweise wurde besprochen und ein Vertrag geschlossen, um zusammen diese Ziele zu erreichen“, streicht Sweers die intensive Kooperation hervor. Wichtig sei auch die Einbindung der anderen Ministerien, „weil die natürlich unterstützen oder blockieren können“. Beispiele für die Missionen sind ein Erreichen der Top Ten weltweit bei Cybersicherheit bis zum Jahr 2025, eine Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz um 25 Prozent bis 2030 und die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft bis 2050.
Hohe Überlebensrate von Spin-offs
Auf „mission driven innovation“ setzt man auch bei der Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung (TNO) in Den Haag. Die dabei notwendige Abstimmung mit Regierung, Wirtschaft und Forschung „macht meinen Job nicht einfach, aber interessant“, erklärt Erik Drop, Manager der Einrichtung, die sich zu jeweils einem Drittel über staatliche Förderungen, wettbewerbsorientierte Förderungen sowie Kundenprojekte finanziert und unter anderem für das Verteidigungsministerium arbeitet.
Diese Berichterstattung erfolgt im Rahmen einer Studienreise auf Einladung von Austrian Cooperative Research und unter unabhängiger redaktioneller Verantwortung.
Auf die Erfolge eines „Tech Transfer“-Programms der TNO, durch das Innovationen und Technologien schneller auf den Markt gebracht werden sollen, verwies Venture-Manager Rolph Segers. Seit 2017 seien daraus 38 Spin-offs entstanden, wobei die Überlebensrate nach fünf Jahren bei 95 Prozent liege. „Wir kümmern uns sowohl um die Marktforschung als auch die geistigen Eigentumsrechte und bringen Entrepreneure gezielt mit Investoren zusammen“, so Segers. Mehr als ein Drittel der Ausgründungen habe bereits einen Bezug zum Klimaschutz.
Innovationscluster in ehemaliger U-Boot-Werft
Das Start-up-Ökosystem der Niederlande und vor allem der Hub Amsterdam wachsen laut Unternehmensberater McKinsey generell sehr schnell. Pro Jahr würden rund 1.000 Start-ups gegründet. Vorteile sind laut Fachleuten die Vielzahl an ausländischen Studierenden, steuerliche Hilfestellungen und die ausgeprägten digitalen Kompetenzen der Bevölkerung.
Mehr als 60 innovative Unternehmen haben sich beispielsweise im RDM Rotterdam am Gelände einer ehemaligen U-Boot-Werft am Südufer der Maas angesiedelt und arbeiten hier mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen zusammen – unterstützt vom Niederländischen Forschungsrat (NWO), die insgesamt fast 1 Mrd. Euro pro Jahr an Forschungsförderung vergibt.

Angst vor dem Scheitern sei in den Niederlanden unbegründet, da hier „ein sehr amerikanisches Mindset“ herrsche, was Fehlerkultur und Risikobereitschaft betreffe, erklärte Michael Spalek, Wirtschaftsdelegierter der Wirtschaftskammer Österreich, im Rahmen der Studienreise. Dieses Mindset verändere auch Herangehensweise und Kooperationsfreudigkeit, ist ACR-Präsidentin Iris Filzwieser überzeugt.
Sie plädiert für eine frühere Einbeziehung der Wirtschaft, um Innovationen schneller in den Markt überführen zu können. In Österreich gebe es hier Vorbehalte. „Um die Qualität der Forschungsprojekte zu erhöhen, müssen aber alle an einem Strang ziehen“, so Filzwieser.