Studie

Fettleibigkeit erhöht Risiko für psychische Erkrankungen

Menschen mit starkem Übergewicht leiden oft an psychischen Erkrankungen. Welches Problem zuerst auftritt, war bisher unklar. Laut einer neuen Studie erhöht Fettleibigkeit die Wahrscheinlichkeit für Depressionen, Nikotinsucht, Psychosen, Angstzustände, Ess- und Persönlichkeitsstörungen deutlich. Frauen sind stärker gefährdet als Männer.

Um herauszufinden, welches Gesundheitsproblem typischerweise zuerst auftritt, analysierten Forscher und Forscherinnen vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien und der Medizinischen Universität (Meduni) Wien Daten zu sämtlichen stationären Krankenhaushalten in Österreich von 1997 bis 2014. „Wir sahen eine statistisch signifikante wechselseitige Beziehung zwischen Adipositas (starkes Übergewicht, Anm.) und einer Reihe psychischer Störungen“, erklärt Elma Dervic (CSH): „Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass ein Problem das andere verursacht.“ Deshalb habe man genau untersucht, ob es eine Tendenz gibt, dass eine Diagnose vor der anderen kommt.

In den allermeisten Fällen war „Adipositas mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit die zuerst gestellte Diagnose, bevor sich eine psychiatrische Diagnose manifestierte", heißt es in einer Aussendung des CSH und der Meduni zu der im Fachjournal „Translational Psychiatry“ erschienenen Studie. Krank machendes Übergewicht wird in der Regel etwa vor Depressionen, Angststörungen und „somatoformen Störungen“ (körperliche Symptome wie Schmerzen, Schwindel, Verdauungs-, Herz- und Atembeschwerden ohne körperliche Ursache) attestiert, so Dervic. Eine Ausnahme ist die Schizophrenie. "Es war schon zuvor gut bekannt, dass Schizophrenie-Medikamente Adipositas durchaus begünstigen können.“

Mehr Frauen betroffen

Bisher seien Ärztinnen und Ärzte oft davon ausgegangen, „dass psychopharmakologische Medikamente die Ursache für den Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Fettleibigkeit sowie Diabetes sind“, so Alexander Kautzky von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Meduni Wien: „Das mag für Schizophrenie zutreffen, wo wir die umgekehrte zeitliche Reihenfolge sehen, aber unsere Daten stützen dies nicht für Depressionen oder andere psychiatrische Diagnosen.“

Adipöse Frauen haben wiederum ein höheres Risiko für die meisten psychischen Erkrankungen als adipöse Männer. Bei Depressionen ist es zum Beispiel für adipöse Frauen drei Mal so hoch, bei Männern „nur“ zweimal. Eine Ausnahme ist etwa die Nikotinsucht, wo Männer mit krankmachendem Übergewicht doppelt so oft betroffen sind wie Frauen.

Dass eine Adipositas-Diagnose die Wahrscheinlichkeit für viele psychischen Störungen erhöht, „unterstreicht aus klinischer Sicht die Notwendigkeit, das Bewusstsein für psychiatrische Diagnosen bei adipösen Patientinnen und Patienten zu schärfen und gegebenenfalls bereits in einer frühen Diagnosephase Spezialisten zu konsultieren“, sagte Michael Leutner von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Meduni Wien.