Wirtschaft

Wie Wettbewerb die Moral beeinflusst

Die Frage, ob Wettbewerbssituationen eher unmoralisches oder moralisches Verhalten stärken, ist bisher nicht eindeutig beantwortet worden. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Innsbruck stellte anhand von 45 verschiedenen Onlineexperimenten nun fest, dass die Antwort auf diese Frage stark vom verwendeten Studiendesign abhängt.

Über die Frage, was Konkurrenz etwa im marktwirtschaftlichen Sinne im Denken und Wirtschaften von Menschen auf größerer gesellschaftlicher Skala bewirkt, lässt sich trefflich streiten. Das tun nicht nur politische Parteien seit weit mehr als 100 Jahren ausgiebig, auch die Wissenschaft liefert dazu sehr konträre Gedankengebäude.

So ist die Theorie von Adam Smith (1723-1790), wonach freier Wettbewerb Marktteilnehmer zu moralischerem Handeln motiviert, auch heute noch sehr einflussreich. Bis heute ähnlich prägend sind die Ideen von Karl Marx (1818-1883) und anderen, die mehr oder weniger das Gegenteil gegeben sehen: Demnach führt die Konkurrenz dazu, dass die Profitgier letztlich über die Moral siegt.

In verschiedenen Forschungsgebieten, wie den Wirtschaftswissenschaften, der Psychologie, der Philosophie u. a. haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit verschiedenen Methoden daran gemacht, befriedigende Antworten zu finden. Die Ergebnisse, zu denen man bisher gelangte, sind aber ebenso breit gestreut, wie die Herangehensweisen.

Ausmaß der Unterschiede „überraschend“

Nachdem die Forschungsgruppe um die Ökonomen Felix Holzmeister, Michael Kirchler und Jürgen Huber vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck in den vergangenen Jahren bereits viel zur Wiederholbarkeit von wissenschaftlichen Ergebnissen geforscht hat, ging man nun daran, den Einfluss von Studiendesigns auf Ergebnisse zu untersuchen. Die Studie wurde nun im Fachjournal „PNAS“ veröffentlicht.

Die Wissenschaftler fragten Kolleginnen und Kollegen weltweit, wie sie Studien zum Zusammenhang zwischen Konkurrenz und Moral durchführen würden. Dem Aufruf folgten Forschungsgruppen aus Institutionen aus 18 Ländern. Sie reichten 95 unterschiedliche Experimentideen ein, von denen Innsbrucker Forscher u. a. in Zusammenarbeit mit Christoph Huber von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien dann 45 online durchführten.

An den 45 Studien nahmen schließlich insgesamt 18.123 Versuchspersonen teil. Die Ergebnisse dieser jeweils unabhängigen Untersuchungen fielen für Holzmeister zwar erwartungsgemäß unterschiedlich aus, da die genaue Ausgestaltung viele „Freiheitsgrade aufseiten der Forschenden“ offenlässt, so Holzmeister im Gespräch mit der APA. Das Ausmaß der Unterschiede habe ihn aber trotzdem „überrascht“. So lieferte der Großteil der Studien kein statistisch signifikantes Ergebnis. Während nur zwei Experimente darauf hinwiesen, dass Wettbewerb zu mehr moralischem Verhalten führt, erbrachten sieben Studien signifikante Ergebnisse, die in die andere Richtung weisen.

„Team Science“-Ansatz

Das Projekt zeige, wie groß der Einfluss des Studiendesigns sein kann. Das sei umso erstaunlicher, als das Setting eines Onlineexperiments im Vergleich zu Laboruntersuchungen eher noch eingeschränktere Variationsmöglichkeiten biete, so Holzmeister. Teilweise hätte es durchaus auch starke Unterschiede bei vermeintlich ähnlich aufgesetzten Studien mit dem gleichen Teilnehmerpool gegeben. „Die Heterogenität ist nur sehr schwer erklärbar. Es geht hier offenbar um komplexe Interaktionen der jeweiligen Designelemente.“

Das Ergebnis zeige, dass man im Zusammenhang mit derart breiten Fragen bei der Interpretation von einzelnen Untersuchungen vorsichtig sein sollte. Bei Metastudien, die viele andere Untersuchungen zusammenfassen, könne es ebenso Verzerrungen geben – auch weil vor allem Ergebnisse publiziert werden, die signifikant in die eine oder andere Richtung weisen.

Allgemeinere Aussagekraft erhalte man durch einen „Team Science“-Ansatz, wie dem hier vorgestellten, mit seinen vielen Designs, zeigte sich Holzmeister überzeugt. Der hier insgesamt gefundene „sehr kleine negative Effekt“ von Wettbewerb auf moralisches Handeln könne nämlich durchaus als belastbar angesehen werden: „Unser Ansatz wäre ein gangbarer Weg für zukünftige große Projekte zu großen gesellschaftlichen Fragen, wo man zu möglichst generalisierbaren Einsichten gelangen will.“