Nachtaffen
Emilio White & Owl Monkey Project, Formosa Province, Argentina
Emilio White & Owl Monkey Project, Formosa Province, Argentina
Mutationen

Erbgut von Affen als Schlüssel zu Krankheiten

Ein internationales Forschungsprojekt mit österreichischer Beteiligung hat das Erbgut von 233 Affenarten auf Mutationen untersucht und mit menschlichem Erbgut verglichen. Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf Erkrankungen beim Menschen.

Die Forscherinnen und Forscher erstellten einen neuen Primatenstammbaum, in dem sich die Äste der Menschen und Schimpansen nun früher verzweigen, als bisher geglaubt (vor rund acht statt sechs Millionen Jahren). Das Forschungsteam sequenzierte das Erbgut von 703 Individuen aus 211 Primatenarten (dazu gehören neben Menschen, Menschenaffen und Affen auch Lemuren) und zog zum Vergleich ältere Erbgutdaten hinzu. Die Studien erschienen in einer Sonderausgabe des Fachjournals „Science“.

Weniger Unterschiede als angenommen

„Insgesamt stellten wir die Daten von 809 Individuen aus 233 Primatenarten zusammen, die alle 16 Primatenfamilien umfassen“, schreibt das Forschungsteam in der Fachpublikation zu der vom Österreicher Lukas Kuderna geleiteten Studie. Er arbeitet in den Labors des Sequenzierautomaten-Herstellers Illumina in Foster City in den USA und war an zwei weiteren Primatenerbgutstudien der Sonderausgabe beteiligt.

Zwei junge Bonobos
AFP/ISSOUF SANOGO
Zwei junge Bonobos

Die Erbgutvergleiche zeigten, dass Menschen sich viel weniger von den Affen unterscheiden, als man bisher angenommen hat. Von 647 Erbgutveränderungen, die bisher als rein menschlich eingestuft wurden, gibt es rund zwei Drittel auch bei anderen Primaten. „Was uns tatsächlich zum Menschen macht, scheint seltener zu sein, als erwartet“, so Martin Kuhlwilm vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien in einer Aussendung. Er hat ebenfalls an den drei Studien mitgewirkt.

Neue Mutationen entdeckt

„Wenn Mutationen in Primaten öfter vorkommen, nehmen wir an, dass sie keinen großen Einfluss haben“, so Kuhlwilm gegenüber der APA: „Wären sie schädlich, würden auch unsere nächsten Verwandten Probleme damit haben.“ Demnach wären sie weniger interessant bei der Suche nach krankheitsauslösenden Varianten. So kommen 4,3 Millionen von 70 Millionen möglichen „Fehlmutationen“ häufig bei Primaten vor und können als potenziell gutartig angesehen werden, da ihr Vorhandensein bei diesen Tieren ohne Anzeichen von Krankheit toleriert wird.

Die restlichen mehr als 65 Millionen Mutationen untersuchte ein Deep-Learning-Computeralgorithmus namens „PrimateAI-3D“. Er sollte vorhersagen, wie wahrscheinlich sie krankheitsfördernd sind, so Kuhlwilm. Dabei wurden unter anderem achtzehn neue Varianten entdeckt, die Entwicklungsstörungen des Nervensystems begünstigen können.