Bisher wurde scheinbar deutlich unterschätzt, wie viele verschiedene Arten von Mikroorganismen auf der Erde leben. Darauf weisen Forscherinnen und Forscher derzeit im Fachjournal „Nature Communications“ hin. Das Team um den Meeresökologen Pierre Galand war Teil der mehrjährigen “Tara Pacific“-Expedition, bei der es zwischen 2016 und 2018 Proben im Pazifik sammelte. Insgesamt waren über über einhundert Fachleute an der umfangreichen Expedition beteiligt.
Ziel der Expedition war es, möglichst viel über die Korallenriffe und ihre Bewohner im Pazifik in Erfahrung bringen. Laut den Forscherinnen und Forschern machen die Riffe zwar nur rund 0,2 Prozent der gesamten Meeresfläche aus, sie beheimaten aber circa 30 Prozent aller im Meer lebenden Tierarten. „Jedes dritte maritime Lebewesen kommt in diesen vergleichsweise sehr kleinen Ökosystemen vor“, sagte Serge Planes am Mittwoch vor Journalistinnen und Journalisten. Planes ist Meeresökologe und wissenschaftlicher Leiter der „Tara Pacific“-Expedition.
Riffe in Gefahr
Die Korallenriffe geraten durch steigende Temperaturen und die zunehmende Umweltverschmutzung aber immer stärker unter Druck. „Umso wichtiger ist es, die Vielfalt in den Ökosystemen und die Funktionen der einzelnen Lebewesen besser zu verstehen, um sie künftig effektiver schützen und effizienter wiederherstellen zu können“, so Planes.
Daher wurden über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren Proben von allen möglichen Lebewesen, der Wasserqualität und dem Untergrund gesammelt und zusätzliche Daten über das Klima und andere äußere Einflüsse erhoben. Das Analysieren der großen Datenmengen dauerte rund sechs Jahre, aktuell präsentieren die Forscherinnen und Forscher daraus insgesamt acht Studien in unterschiedlichen „Nature“-Fachjournalen.
Große Bakterienvielfalt
In einer der acht Studien untersuchte das Team um Galand das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen in den pazifischen Korallenriffen. Auf der Expedition sammelten sie dafür über 5.000 Proben von drei Korallenarten, zwei Fischarten und von Plankton an rund einhundert über den Ozean verteilten Riffen.
„Die Arten exakt zu bestimmen ist bei den Bakterien oft sehr schwierig. Wir haben daher spezielle Methoden (Anm.: Amplifikate Sequenz-Variante, kurz ASV) genutzt, um Unterschiede in den DNA-Sequenzen zu finden. Je unterschiedlicher diese Sequenzen sind, desto wahrscheinlicher hat man es auch mit verschiedenen Bakterienarten zu tun“, erklärte Galand. Im Rahmen der Analyse fand das Team in den rund 5.000 Proben über eine halbe Million unterschiedliche ASVs. „Hochgerechnet auf den gesamten Pazifik, also auch auf weitere Fisch- und Korallenarten, gleicht das Ergebnis (Anm.: rund 2,8 Millionen verschiedene Bakterienarten) den bisherigen Schätzungen zur gesamten mikrobiellen Vielfalt auf der Welt“, so der Meeresökologe.
Laut den Forscherinnen und Forschern ist das ein klares Zeichen dafür, dass in den weltweiten Schätzungen die tatsächliche Vielfalt der Mikroorganismen bisher deutlich unterschätzt wurde und noch weitere umfangreiche Untersuchungen nötig sind, um ein klareres Bild der tatsächlichen Zahlen zu bekommen.
Unterschiedliche Mikrobiome
In den über 5.000 Proben fanden die Forscherinnen und Forscher auch klare Unterschiede im Mikrobiom, obwohl es sich immer um die gleichen Korallen- Fisch- und Planktonarten handelte. Unter anderem fanden sie Hinweise darauf, dass die Nähe zum Land das Mikrobiom stärker beeinflusst als die Wassertemperatur. Generell hatte die Temperatur der Umgebung nur vergleichsweise kleine Auswirkungen auf die Vielfalt des Riffmikrobioms.
Am artenreichsten war das Mikrobiom in den Planktonproben. Unter den drei Korallenarten hatte die blättrige Feuerkoralle die größte bakterielle Vielfalt. Bei den beiden Fischarten hatte der Halfterfisch ein diverseres Mikrobiom als der Sträflings-Doktorfisch.
Grundlage für weitere Untersuchungen
Die Bakterienvielfalt ist laut den Forscherinnen und Forschern ein guter Indikator dafür, wie gesund die im Riff lebenden Korallen und anderen Tiere sind. Veränderungen oder das Fehlen bestimmter Bakterien könnten ein Hinweis auf äußere Faktoren sein, die das Ökosystem stressen und gefährden. Das Team um Galand sieht in der Untersuchung des pazifischen Riffmikrobioms daher eine gute Grundlage für weitere Untersuchungen, um die maritimen Ökosysteme künftig besser verstehen und damit auch effektiver schützen zu können.