Unklar war bisher, ob diese Entwicklung durch ein stärkeres Pflanzenwachstum im wärmeren Klima kompensiert wird. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass dies nicht der Fall ist, wie sie im Fachjournal „Global Change Biology“ berichten.
Böden sind der größte Kohlenstoffspeicher der Erde. Speziell im hohen Norden, wo es kühl und feucht ist und daher der Abbau abgestorbener Pflanzenteile durch Bodenmikroben langsamer abläuft, hat sich über die Jahrtausende viel organischer Kohlenstoff im subarktischen Boden abgelagert. Diese Region ist allerdings besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen.
Verstärktes Pflanzenwachstum
Durch die steigenden Temperaturen werden auch die Bodenmikroben aktiver. Sie bauen mehr tote organische Substanz ab und es entweicht immer mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre. Andererseits stehen durch diesen verstärkten Abbau auch mehr Nährstoffe – speziell Stickstoff – für die Pflanzen zur Verfügung und sie können besser wachsen. Nicht vollständig erforscht war bisher, ob durch das verstärkte Pflanzenwachstum mehr Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufgenommen werden kann, als über die Böden verloren geht.
Um die längerfristigen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Kohlenstoffkreislauf im hohen Norden zu erforschen und zu klären, ob die zusätzlich zur Verfügung stehenden Nährstoffe ausreichen, um das Pflanzenwachstum entsprechend anzukurbeln, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Michael Bahn vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck ein natürliches Klimalabor genutzt. Dabei handelt es sich um Flächen nahe einer geothermalen Bruchlinie in Island.
Kohlenstoff wird an Atmosphäre abgegeben
2008 verlagerte dort ein Erdbeben ein geothermisches System, wodurch sich die Bodentemperatur eines unbewirtschafteten baumlosen Graslands erhöhte. Auf diesem Gelände steckten die Forscherinnen und Forscher 14 zwei mal zwei Meter große Parzellen ab, die in unterschiedlichen Abständen von der Bruchlinie lagen und um bis zu acht Grad wärmer waren als zuvor.
Die Hälfte der Flächen düngte das Forschungsteam mit unterschiedlichen Mengen an Stickstoff. Zudem führten sie den Versuchsflächen das stabile Kohlenstoff-Isotop C13 zu, um dem Kreislauf des Kohlenstoffs von der Atmosphäre über Pflanze und Boden wieder zurück zur Atmosphäre verfolgen zu können.
Es zeigte sich, dass mit steigender Erwärmung der durch die Photosynthese der Pflanzen gebundene Kohlenstoff von den Mikroben stärker aufgenommen und rascher wieder vom Boden abgegeben wird. Dadurch wurde in den untersuchten Flächen in den ersten Jahren nach der Erwärmung bis zu 40 Prozent des Kohlenstoffs im Oberboden an die Atmosphäre abgegeben.
„System verliert netto an CO2“
Im Laufe der Zeit passte sich die mikrobielle Biomasse an die höheren Temperaturen an und der Kohlenstoffhaushalt des Bodens pendelte sich wieder ein. „Trotzdem verliert das System netto noch CO2“, so Bahn gegenüber der APA. Beim Düngeexperiment „hatten wir erwartet, dass die Pflanzen, die mehr Stickstoff bekommen, stärker wachsen und dadurch den Kohlenstoffverlust im Boden ausgleichen – das war zu unserer Überraschung aber nicht der Fall“, sagte der Ökologe.
Offensichtlich geht durch die Erwärmung dem System auch sehr viel Stickstoff verloren – etwa durch eine verstärkte Auswaschung des Nährstoffs und andererseits durch Ausgasung von molekularem Stickstoff – ein Prozess, der laut Bahn noch zu wenig erforscht ist.
„Dieser Stickstoffmangel zeigt sich auch dadurch, dass die Pflanzen vermehrt in die unterirdische Biomasse investieren“, so der Ökologe. Sie wachsen also vor allem dort, wo der Mangel am größten ist – konkret bei den Wurzeln, um so zu mehr Nährstoffen zu gelangen. Jedenfalls wurde im subarktischen Grasland unter wärmeren Bedingungen die Produktivität der Pflanzen durch den Stickstoffmangel begrenzt. „Dies führt zu einem Rückgang der Kohlenstoffaufnahme im Ökosystem und durch die beschleunigte Freisetzung von Kohlenstoff wird die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu speichern, zusehends reduziert.“