Die Forscher verbrachten Stunden unter Wasser damit, Modellfische an einem Draht an Kolonien von Riffbarschen vorbeizuziehen und deren Reaktionen zu filmen.
Sam Matchette
Sam Matchette
Verhalten

Wie sich Raubfische vor ihrer Beute tarnen

Trompetenfische verstecken sich hinter größeren, aber harmlosen Fischen, um sich unauffällig ihrer Beute zu nähern. Dieses Verhalten wurde von einem Forschungsteam der Universität Cambridge in der Karibik beobachtet und untersucht – es ist das einzige bisher bekannte Beispiel dafür, dass ein Tier ein anderes zur Tarnung nutzt.

Indem der Trompetenfisch bei der Jagd dicht neben einem anderen Fisch schwimmt, verringert er die Wahrscheinlichkeit, von seiner Beute entdeckt zu werden. Diese Strategie sei bei Tieren bisher kaum beachtet und noch nie in einem Experiment untersucht worden, heißt es in der Studie, die nun im Fachjournal „Current Biology“ erschienen ist.

„Der Trompetenfisch versteckt sich so entweder ganz vor seiner Beute oder er wird zwar gesehen, aber nicht als Raubtier erkannt, weil er eine andere Form hat“, so Erstautor Sam Matchette vom Institut für Zoologie der Universität Cambridge. Der lange, dünne Trompetenfisch nutzt dafür eine pflanzenfressende Fischart wie etwa den Papageienfisch als Tarnung, um sich seiner Beute, den Riffbarschen, zu nähern.

Riffbarsche reagieren unterschiedlich

Für das Experiment verbrachten Matchette und sein Koautor und Tauchpartner Christian Drerup Stunden unter Wasser. An den Korallenriffen vor der niederländischen Karibikinsel Curaçao bauten sie ein System auf, mit dem sie 3-D-gedruckte Trompetenfischmodelle auf Nylonschnüren an Kolonien von Riffbarschen vorbeiziehen ließen und deren Reaktionen filmten.

Die Forscher verbrachten Stunden unter Wasser damit, Modellfische an einem Draht an Kolonien von Riffbarschen vorbeizuziehen und deren Reaktionen zu filmen.
Sam Matchette
3-D-Fischmodelle werden an einer Nylonschnur entlanggezogen, darunter befindet sich eine Riffbarschkolonie

Wenn das Trompetenfischmodell alleine an der Kolonie vorbeibewegt wurde, schwammen die Riffbarsche heran, um es zu inspizieren. Kaum erkannten sie das Objekt als vermeintlichen Trompetenfisch, flüchteten sie schnell zurück in ihren Schutz. Zog hingegen ein Modell eines pflanzenfressenden Papageienfisches alleine an ihnen vorbei, beobachteten die Riffbarsche dieses und reagierten weit weniger.

Die Riffbarsche erkennen keine Bedrohung, wenn die beiden Modelle gemeinsam vorbeiziehen
Sam Matchette
Die Riffbarsche erkennen keine Bedrohung, wenn beide Fischmodelle gemeinsam vorbeiziehen

Wenn aber ein Trompetenfischmodell an der Seite eines Papageienfischmodells angebracht wurde – um das Verhalten des echten Trompetenfisches nachzuahmen – reagierten die Riffbarsche genauso wie auf das Papageienfischmodell allein: Sie erkannten die Bedrohung nicht und suchten keinen Schutz auf.

Reaktion auf Schädigung der Korallenriffe

„Ich war überrascht, dass die Riffbarsche so unterschiedlich auf die verschiedenen Fische reagierten. Es war großartig, dies in Echtzeit zu beobachten“, erzählt Matchette. Von Taucherinnen und Tauchern wusste man bereits, dass Trompetenfische häufig nahe an Papageienfischen schwimmend gesehen wurden – der Grund für dieses auffällige Verhalten war jedoch nicht untersucht worden.

Darüber hinaus war dieses Verhalten weitaus häufiger an geschädigten Korallenriffen beobachtet worden. Durch die Klimaerwärmung und die Verschmutzung und Überfischung der Meere werden Korallenriffe auf der ganzen Welt geschädigt. Dem Forschungsteam zufolge kann die Strategie der Trompetenfische, sich bei der Jagd hinter anderen Fischen zu verstecken, damit zusammenhängen: Die Tiere passen sich so an ihre veränderte Umwelt an.

Trompetenfische und Riffbarsche

„Das Tarnverhalten des Trompetenfisches scheint eine nützliche Strategie zu sein, um seinen Jagderfolg zu verbessern. Dieses Verhalten könnte sich in Zukunft weiter ausbreiten, wenn weniger Strukturen am Riff zur Verfügung stehen, hinter denen sie sich verstecken können“, so Hauptautor James Herbert-Read vom Institut für Zoologie der Universität Cambridge.