Wartung einer Wetterstation
A. Trügler
A. Trügler
Gastbeitrag

Auch Grönlands Gletscher schmelzen

Nicht nur in den Alpen sind die Gletscher heuer besonders stark geschmolzen. Die Klimaerwärmung setzt auch den Gletschern auf Grönland zu. Obwohl es im vergangenen Jahr eher kühl und feucht war, verlor der grönländische Eisschild zum 27. Mal in Folge an Masse – wenn auch weniger als in den Jahren davor, berichten drei österreichische Glaziologen in einem Gastbeitrag.

In Grönland bestimmt der riesige Eisschild die Massenverluste, und von Satelliten und Feldmessungen wissen wir, dass die Verluste in den letzten Jahren besonders stark ausgefallen sind. Auch dieses Jahr hat Grönland insgesamt wieder an Masse verloren.

Über die Autoren

Jakob Abermann ist Glaziologe an der Universität Graz, Bernhard Hynek arbeitet an der Geosphere Austria (vormals ZAMG) im Bereich Gletschermonitoring und -forschung, Wolfgang Schöner ist Klimatologe an der Universität Graz.

Ein Teil des Eises bricht direkt in den Ozean ab; klimatologisch besonders interessant ist aber die Oberflächenmassenbilanz – also die Differenz aus Schneefall und Abfluss durch Schmelze. Diese war dieses Jahr etwas positiver als im langjährigen Mittel und steht damit im Kontrast zu vielen anderen globalen Rekorden. Ein verspäteter Beginn der Schmelzperiode hat eine wichtige Ursache dafür geliefert. Der Massenverlust im Jahr 2023 belief sich auf ca. 200 Gigatonnen, das entspricht einem Beitrag zum globalen Meeresspiegelanstieg von 0,56 Millimetern innerhalb nur eines Jahres. Der letzte Jahr, in dem das Grönländische Eisschild an Masse gewonnen hat, war 1996.

Räumlich verteilt ergeben sich einige interessante Muster: Der Südteil der Insel hat besonders stark an Masse verloren, speziell in den tiefen Lagen des Randbereichs, wohingegen die Gletscher im (Nord-)Westen weniger Masse verloren haben; ein eher heterogenes Bild zeigt sich im (Nord-)Osten.

Grafik zu den Massenänderungen der Gletscher in Grönland von 2002-2023, berechnet aus Messungen der Änderungen des Erdschwerefeldes durch die Satelliten „Grace“ und „Grace-FO“.
polarportal.dk, Adaption der Autoren
Massenänderungen der Gletscher in Grönland von 2002-2023, berechnet aus Messungen der Änderungen des Erdschwerefeldes durch die Satelliten „Grace“ und „Grace-FO“. Mit Pfeilen dargestellt ist die Lage jener Gletscher, an denen österreichische Forschungsinstitutionen an den Messungen beteiligt sind.

In der Karte links sieht man, dass der Grönländische Eisschild in den vergangenen 20 Jahren an den Rändern deutlich an Masse verloren hat, während es im Inneren etwas an Masse zugenommen hat. Die Gesamtmassenbilanz ist jedoch seit Messbeginn 2002 negativ, wie die rechte Abbildung in monatlichen Zeitschritten zeigt. Die beiden NASA-Satellitenmissionen „Grace“ starteten 2002, die Mission endete im Oktober 2017. „Grace-FO“ startete im Mai 2018, daher gibt es in diesem Zeitraum eine Unterbrechung.

Dargestellt sind die Massenänderungen in Gigatonnen, das kann direkt in Meeresspiegelanstieg umgerechnet werden: 100 Gt entsprechen einem mittleren Anstieg des globalen Meeresspiegels von 0,28 mm.

Radarmessungen zur Bestimmung der Eisdicke am Mittivakkat Gletscher
Christoph Posch
Radarmessungen zur Bestimmung der Eisdicke am Mittivakkat-Gletsche

Drei Messgebiete mit österreichischer Beteiligung

Österreichische Forschungsinstitutionen sind an drei Orten Grönlands direkt bei der Bestimmung der Gletscheränderung aktiv: Der erste ist der Freya-Gletscher in Nordost-Grönland, der seit 2007 von der Geosphere Austria (früher ZAMG) in Kooperation mit der Universität Graz regelmäßig vermessen wird. Er bilanzierte dieses Jahr wieder negativer als im langjährigen Mittel. An der dortigen Wetterstation, die auf einer Höhe von 680 m in der Mitte des Gletschers liegt, ist etwa 1,5 Meter Eis abgeschmolzen. Juli und August waren relativ warm; die Schmelzperiode wurde kaum von Neuschnee unterbrochen und war somit länger als gewöhnlich. Die maximale Ausaperung wurde am 26. August 2023 erreicht.

Der Freya-Gletscher zum Zeitpunkt der maximalen Ausaperung. Einige Schneemuster sind auf Lawinenaktivität zurückzuführen.
Geosphere Austria
Der Freya-Gletscher zum Zeitpunkt der maximalen Ausaperung. Einige Schneemuster sind auf Lawinenaktivität zurückzuführen.

Im Rahmen eines Projekts der Universität Graz zusammen mit dem KnowCenter Graz und mit Bezug zur bahnbrechenden Expedition von Alfred Wegener (1929-1931) wird seit 2022 der Qaamarujup Gletscher in Westgrönland vermessen. Der Sommer 2023 hat in 950 Metern Höhe zu etwa 0,7 Metern Eisverlust geführt.

Direkt vergleichen können wir den Wert nur mit Daten der Wegenerexpedition. Diese Jahre waren ebenfalls außergewöhnlich warm und die Abschmelzraten waren damals ähnlich stark am selben Ort (zwischen 1,4 Meter 1930 und 0,6 Meter 1931). Besonders spannend an diesem Messort sind unsere guten Kenntnisse von Gletscheränderungen seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts, die den starken Rückgang eindrucksvoll dokumentieren.

Der Qaamarujup-Gletscher 1930 (links; Quelle: Wegener) und 2022 (rechts; Quelle: Abermann).
Wegener, Abermann
Der Qaamarujup-Gletscher 1930 (links; Quelle: Wegener) und 2022 (rechts; Quelle: Abermann).

Auch innerhalb eines Sommers ist dort der Rückgang sichtbar, hier am Beispiel eines Zeitraffers der Gletscherzunge des Qaamarujup-Gletschers (zwischen Juli und November 2022):

Der Mittivakkat-Gletscher in Ostgrönland wird seit 1995 wissenschaftlich von norwegischen und dänischen Institutionen untersucht. Über die vermehrte Aktivität der Universität Graz in der Region in Zusammenhang mit der ersten österreichischen Polarstation konnte das diesjährige Monitoring auch mit österreichischer Beteiligung durchgeführt werden.

Die Resultate sind noch nicht fertig ausgewertet, es ist aber ein besonders starker Massenverlust zu erwarten. Über die Messungen des Massenverlustes hinaus wurden in diesem Kontext auch die Eisdicke neuvermessen und das Abflussregime des Gletschers untersucht.