Wen man versteht, findet man schön

Äußerlichkeiten bestimmen, ob man jemand schön findet - denkt man zumindest. Wie eine Studie nun zeigt, ist das nur ein Teil der Wahrheit: Wen man glaubt, gut zu verstehen, findet man automatisch hübscher.

Der Partner bzw. die Partnerin sollte einem jeden Wunsch von den Augen ablesen - davon träumen wohl die meisten, wenngleich die Realität oft anders aussieht: In den meisten Beziehungen müssen immer wieder Gefühle, Bedürfnisse, Differenzen und vieles mehr ausdiskutiert werden.

Idealerweise möchte man einander aber auch ohne viele Worte verstehen. Offenbar schlägt sich dieser Wunsch schon in der Partnerwahl nieder, wie die Experimente der Forscher um Silke Anders von der Universität zu Lübeck nahelegen.

Was attraktiver macht

In der ersten Versuchsanordnung sollten die knapp 100 männlichen Teilnehmer Videos von sechs Frauen betrachten, die Trauer oder Angst empfanden und einen entsprechenden Gesichtsausdruck zeigten. Die Betrachter mussten danach angeben, welches Gefühl die Frauen gerade erlebten und wie sicher sie sich dieser Einschätzung waren.

Vor wie nach dem Experiment erfassten die Forscher zudem, wie attraktiv die Teilnehmer die gezeigten Frauen fanden: einerseits durch einen Verhaltenstest, bei dem sie das Bild der Frauen vergrößern und dadurch heranziehen konnten; andererseits sollten sie in Bezug auf die Frauen angeben, wie sehr sie bestimmten Aussagen zustimmen: „Ich würde sie gern im echten Leben treffen“ oder „Ich habe das Gefühl, dass sie mich verstehen würde“.

Wie die Forscher vermutet hatten, änderte sich die Einschätzung der Probanden tatsächlich durch das nur wenige Minuten lange Video. Wenn die Männer dachten, sie hätten das Gefühl der gezeigten Frau sehr gut erfasst, erschienen ihnen diese danach attraktiver.

Bei einer zweiten ähnlichen Versuchsreihe, wurde außerdem die Gehirnaktivität der Teilnehmer gemessen. Auch dort spiegelt sich der Zusammenhang, durch eine erhöhte Aktivität im sogenannten Belohnungszentrum.

Wie eine weitere Messung zeigte, waren sich die Teilnehmer ihrer Einschätzung besonders sicher, wenn ihre Hirnaktivität beim Betrachten der traurigen oder ängstlichen Frauen jener glich, die die Forscher gemessen hatten, wenn sie selbst Trauer oder Angst empfanden. Und je höher die Übereinstimmung, desto größer war auch das Belohnungssignal.

Anziehung liegt am Betrachter

Laut den Forschern zeigen die Ergebnisse, dass soziale Aspekte in der bisherigen Attraktivitätsforschung zu kurz gekommen sind. Fruchtbarkeit, Gesundheit und somit genetische Fitness standen dabei im Fokus. Sichtbar werden diese Kriterien unter anderem durch eine glatte Haut und symmetrische Gesichtszüge - und deswegen finden wir diese schön, so die vereinfachte Rechnung.

In einer komplexen Welt wie der unseren ist aber wahrscheinlich genauso wichtig den richtigen Kooperationspartner zu finden, so die Forscher um Anders. Dafür sei es aber wichtig, die Kommunikationssignale des Anderen auch richtig zu verstehen. Fazit: Ob wir ein Gegenüber anziehend finden oder nicht, hängt nicht nur von diesem, sondern letztlich auch von uns selbst ab.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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