Computerspieler lösen Quantenproblem

Was machen Quantenphysiker, wenn sie mit ihren Berechnungen nicht weiterkommen? Sie programmieren ein Computerspiel - und setzen die Gamer-Community auf das Problem an.

Der Mensch, so notierte der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga einmal, ist ein spielendes Wesen, ein Homo ludens. Ob Huizinga, verstorben 1945, die heutige Dauerpräsenz von Computerspielen als Bestätigung oder Abgesang auf seine These verstanden hätte, wird sich leider nicht mehr beatworten lassen.

Das Einwachsen der Unterhaltungselektronik in unsere Kultur, so darf man zumindest vermuten, hätte wohl auch ihn nicht ganz kalt gelassen. Schätzungen zufolge haben heute 21-jährige US-Amerikaner durchschnittlich 10.000 Stunden mit Videospielen verbracht. Das entspricht der Arbeitszeit von fünf Jahren in einem 40-Stunden-Job.

Spielen mit Atomen

Diese geistigen Ressourcen ließen sich auch für andere Zwecke anzapfen. Dass das möglich ist, zeigen erfolgreiche Computerspiele wie „Foldit“, „EteRNA“ und „EyeWire“, die zu dem Zweck erfunden wurden, wissenschaftliche Probleme - im Wortsinn - spielerisch zu lösen. Etwa, um die Raumstruktur von Molekülen zu bestimmen oder eine Karte von Neuronen zu erstellen. Neu im Angebot ist nun „QuantumMoves“: Das Spiel wurde von dänischen Physikern programmiert, die an einem Prototypen eines Quantencomputers arbeiten.

Der Rechner besteht aus Atomen, die wie in einem Eierkarton in Energiemulden sitzen und bei jeder logischen Operation ihre Plätze tauschen. Die Möglichkeiten das zu tun, sind so enorm, dass man mit reiner Rechenkraft schnell an die Grenze des Machbaren stößt. Auch, weil es hier eine weitere Hürde gibt: Die Operationen müssen so schnell wie möglich ablaufen, damit die Atome ihre Quanteneigenschaften nicht verlieren.

„Doch je schneller man die Atome bewegt, desto schwieriger ist es, eine gute Lösung zu finden“, sagt Studienautor Jacob Sherson von der Aarhus Universität gegenüber science.ORF.at. „Im Prinzip kennen wir das Problem aus dem Alltag: Je schneller wir ein Glas Wasser tragen, desto eher verschütten wir etwas - und das wollen wir vermeiden.“

Besser als Computersimulationen

„QuantumMoves“ leistet bei der Lösung des Problems offenbar gute Dienste. Bei diesem Spiel gilt es, Atome (dargestellt als Wellenfunktion) möglichst schnell an einen vorgegebenen Ort zu manövrieren, ohne sie dabei zu verlieren. Die Spieler lösten ihre Aufgabe jedenfalls mit Bravour. Ihre Lösungen waren besser als jene von Computersimulationen, schreiben Sherson und sein Team im Fachblatt „Nature“.

10.000 Spieler konnten die Forscher laut Studie bisher zum Mitmachen animieren. Wie geht das mit einem so simplen Spiel? „Es war nicht einfach“, sagt Sherson. „‚QuantumMoves‘ ist nicht ganz so lustig wie ‚Angry Birds‘, das gebe ich zu. Aber wir haben die Spieler darauf hingewiesen, dass sie mit ihrer Teilnahme einen Beitrag für die Wissenschaft leisten. Das hat sie motiviert.“

Kenntnisse der Quantenphysik sind für die Teilnahme übrigens keine Voraussetzung. Im Gegenteil, zu viel Wissen wäre in diesem Fall sogar hinderlich, betont Sherson. Gefragt sei der unverstellte Zugang zum Problem. Allenfalls hilfreich könnten Erfahrungen beim Tragen von Wassergläsern sein.

Robert Czepel, science.ORF.at

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