Wie intim können Roboter sein?

Während die meisten Techniker versuchen, menschenähnliche Roboter zu schaffen, die auch sozial mit uns handeln könnten, geht Dan Chen einen anderen Weg. Der Ingenieur vom MIT will die Maschinennatur der Roboter nicht verbergen und damit eine Diskussion anregen, wie nah wir ihnen wirklich sein können.

„Ich weiß nicht mehr genau, wer es gesagt hat, aber es heißt: Maschinen werden gebaut, um uns zu täuschen“, sagt Dan Chen. Der Taiwanese hat eigentlich Design studiert – und bei gutem Design ginge es ja oft darum, den Nutzer vergessen zu lassen, dass er an einem gebauten Objekt herumhantiert. Es soll sich einfach nahtlos einfügen in unsere Erfahrung von der Welt.

Dan Chen aber baut am Massachusetts Institute of Technology (MIT) „ehrlichere“ Roboter, die uns trotzdem soziale Zuwendung geben - nur sehen sie dabei weiter aus wie Maschinen. Diese Intimitätsroboter sind aber genauso bis ins Detail durchdesignt und getestet, nur mit einem anderen Ziel: “In meiner Arbeit will ich das Angenehme und das Unangenehme in Balance halten. Ich möchte, dass jeder in einem Moment den Gedanken hat: ‚Was zum Teufel mach ich hier?‘“ Er will, dass wir merken, dass wir uns gerade kurz in einem Roboter verloren haben.

Freunde selber bauen

Besonders eindringlich zeigt das der „Cardboard Friend“. Zusammengebaut aus drei Kartonschachteln, bewegt der Roboter den obersten Karton, wenn man auf einen Knopf drückt. Durch die Art, wie dieser angebracht ist, muss man den Apparat in seinen Armen halten – „viele nennen es sofort ‚das Baby‘ - dabei tut es nichts anderes als den ‚Kopf‘ ein bisschen hin- und herzubewegen“, so Chen. Viele halten es und schauen dem „Cardboard Friend“ dann lächelnd ins „Gesicht“ – eine rundes Loch im Karton. Und trotzdem will jeder einmal „das Baby“ halten.

Chen baut verschiedenste „Initimitätsroboter“. Zum Beispiel eine Serie von fünf kleinen, tragbaren Robotern - sie tragen keine wirklichen Namen, sondern heißen Freund 1 bis Freund 5 und interagieren auf verschiedene Weise. Einer tätschelt die Hand, ein anderer tippt auf die Schulter, einen weiteren kann man auf einer Felloberfläche streicheln, was mit einem brummenden Schnurren beantwortet wird.

Die wiederholten, immer gleichen Bewegungen beleuchten schnell die robotische Natur des neuen Freundes - dann fühlt sich die „freundschaftliche“ Berührung plötzlich eigenartig an. „Dabei tun viele Krankenpfleger auch nichts anderes, sie variieren vielleicht ein bisschen, aber für sie selbst ist es eine sich wiederholende Tätigkeit“, sagt Chen. Illustrieren soll das auch seine „End of Life Care Machine“, die einem Patienten den Arm streichelt, und dabei positive Botschaften mit robotischer Stimme abspielt.

Spielen und Diskussion anregen

Dan Chen war Gast der TEDx-Vienna-Konferenz zum Thema “The Future of Intimacy“.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 9.5., 13:55 Uhr.

Chen arbeitet an der Schnittstelle von Technik und Kunst. Er glaubt, dass Roboter, die Nähe und Intimität bieten, Teil unserer Zukunft sein werden, über deren Möglichkeiten sollte man jetzt nachdenken. Nicht alle Menschen würden natürlich solche Roboter verwenden, aber manche – wie effektiv die Geräte Trost oder Entspannung spenden könnten, das hänge davon ab, wie sehr man sich auf die Roboter einlasse, erklärt Chen.Ihn interessiert auch, welche Intimitätsroboter Leute sich selbst bauen würden. Chen stellt die Baupläne für seine Roboter auf seiner Website frei zur Verfügung: „Mich interessiert die Maker-culture. Leute bauen sich dort Maschinen, die ihre alltäglichen Probleme lösen.“ Wie man seinen Intimitätsroboter oder Roboterfreund im Detail programmiert wäre wie ein Spiegel und zeige, wonach man sich sehnt.

Zwischen Mensch und Maschine

Roboter könnten aber auch die Menschen einander näher bringen. Oder sie näher halten. Ein Projekt nennt Chen „Nostalgische Berührung“. Dabei hat Chen die Handbewegungen seiner Großmutter vor ihrem Tod aufgezeichnet - etwa, wie viel Druck ihre Finger an welcher Stelle abgeben. Die Berührung „abgespielt“ hat er noch nicht, das fällt ihm zu schwer. Er möchte weder enttäuscht werden, wenn es sich gar nicht so anfühlt, noch von der tiefen Emotion überwältigt werden, falls seine Vorstellungkraft diese Lücke zu gut schließen könnte, wie er sagt.

Auch der Streichelroboter aus dem Krankenhaus natürlich ließe sich anders nutzen – fernsteuern etwa von Familienmitgliedern, die nicht nah genug sind. „Aber darum geht es in meiner Arbeit nicht,“ sagt Chen. Er will einfach spielend darüber nachdenken, welche Beziehungen mit Robotern möglich sind und welche nicht, selbst wenn wirkliche freundschaftliche Initmität und Nähe ohne Menschlichkeit nur schwer vorstellbar sind.

Isabella Ferenci, Ö1 Wissenschaft

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