„Ich geh’ Billa“

Wie sprechen die Jugendlichen in Österreich? Germanisten aus Graz untersuchen erstmals die Grammatik der Jugendsprache. Typisch sind Minimalismen wie „Ich geh’ Billa“ oder „Kann ich ein Cola?“

„Ich find’s komisch, dass Sami jetzt so auf Tumblr macht. Tumblr ist so anti-mainstream. Also er möchte so tumblr sein - cool, deep. Das heißt aber nicht, dass er deswegen auch tumblr ist. Er hat irgendwie seine eigene Identität verraten."

Flora ist 17 Jahre alt, Gymnasiastin aus Wien und sagt gerne auch mal Sätze wie: „Die Schuhe von der sind voll dope.“ Oder antwortet sarkastisch „Deep shit!“, wenn sich eine Freundin über einen Dreier bei der Mathematikschularbeit beklagt. Englische Phrasen oder Mischformen wie „sau-nice“ gehören für sie und ihre Freunde zum normalen Sprachgebrauch. Das ist nicht neu - Anglizismen finden sich alljährlich unter den beliebtesten Jugendwörtern.

Dort halten sie sich aber meist nicht lange, weiß Arne Ziegler, Germanist an der Universität Graz: „Die Dynamik in der Jugendsprache ist sehr extrem. In dem Moment, wo ein Wort dazu neigt, in die Alltagssprachlichkeit überzugehen, verschwindet es aus jugendsprachlichem Sprechen.“

Zur Person

Arne Ziegler ist Professor am Institut für Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Er leitet die Forschungsprojekte „Jugendsprache(n) in Österreich“ sowie „Variantengrammatik des Standarddeutschen“.

Konferenz

Die 8. Internationale Konferenz zur Jugendsprache findet von 26. bis 28. Mai 2016 an der Universität Graz statt. Sie befasst sich mit dem Phänomen Jugendsprache und ihren Veränderungen – insbesondere in der Grammatik.

Ö1 Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Ö1 Mittagsjournal am 27.5. um 12:00 Uhr.

„Es gibt nicht die eine Jugendsprache“

Der Sprachwissenschaftler möchte mit dem weit verbreiteten Bild aufräumen, dass es die eine Jugendsprache gibt. „Diese Vorstellung hält sich sehr hartnäckig. Dabei existieren so viele jugendsprachliche Register wie auch jugendliche Gruppen existieren“, meint Ziegler.

Jede Gruppe hat ihre eigene Ausdrucksweise und ihren Sprachwitz, der durch den Schulunterricht, die Eltern, Freunde sowie durch Filme oder soziale Medien geprägt wird.

Auch Floras Freunde haben zum Teil ihre eigene Sprache. „Bei uns sprechen manche Zwielaute anders aus: Die sagen dann beispielsweise so ‚seane‘ statt ‚seine‘. Aber das ist wirklich nur in unserer Klasse.“ Mit ihrem Freund hingegen witzelt sie über Nathalie Paris, einen „Insta-Star“, und nennt sie „Schnathalie Schmaris“: „Das machen wir immer spontan, wie es gerade kommt.“

Dazugehören und abgrenzen

„Natürlich verwenden Jugendliche ihre Sprache, um sich gegenüber den Erwachsenen abzugrenzen. Viel wichtiger scheint aber der Aspekt zu sein, dass sie über die eigene Sprache zeigen, dass sie zu einer bestimmten Gruppe gehören“, so Ziegler. Teenies, die mehrsprachig aufwachsen, kreieren sogar eine Mischsprache, erklärt Ziegler.

„Diese sozusagen Ausgleichssprache wird dann tatsächlich nur in diesen Gruppierungen verstanden. Dabei fließen arabische, afrikanische oder serbokroatische Versatzstücke zusammen. Andere Jugendliche würden schlicht daran scheitern, wenn man sie damit konfrontierte", so Ziegler. „Das fordert uns auch bei der Analyse sehr heraus, da wir immer die jeweiligen Muttersprachler finden müssen, die uns die Phrasen- und Wortfetzen erklären.“

Auch die Chat-Sprache bzw. die dabei verwendeten Abkürzungen wie „Wmgs“ für „Was machst gerade so?“ wirken für manche Außenstehende wie verschlüsselte Codes.

Fokus auf Grammatik

Während Jugendworte und Abkürzungen große Aufmerksamkeit bekommen, ist die Grammatik der Jugendsprache allerdings noch kaum untersucht. Zieglers Forschungsprojekt ist das erste, das sich der Grammatik widmet. Seine Untersuchungen laufen seit ca. zwei Jahren, erste Ergebnisse zeigen einen gewissen Hang zur verbalen Aufwandsminimierung.

Ein bereits bekanntes Phänomen ist der Wegfall von Präpositionen, wie beispielsweise bei: „Gehst du mit Kino?“ oder „Ich geh’ schnell Billa“. „Das findet man bei Jugendlichen in Gesamtösterreich“, so Ziegler. Auch bei Erwachsenen haben die Sprachwissenschaftler diesen effizienten Satzbau entdeckt – wenngleich weniger häufig als bei Jugendlichen.

Was war zuerst da, Jugend- oder Alltagssprachlichkeit? „Beantworten können wir das hoffentlich in den nächsten Jahren, wenn wir unsere Untersuchungen abgeschlossen haben“, erklärt der Sprachwissenschaftler.

Realistische Beispiele für Unterricht

Ziel des Forschungsprojekts ist es, authentische Sprachbeispiele für den Deutschunterricht zu finden, um die Sprachwirklichkeit in den Klassen zu diskutieren. „Es gibt nicht die eine deutsche Sprache, genauso wenig, wie es die Jugendsprache gibt. Es gibt nicht richtig oder falsch im Unterricht, sondern auch einige Grauzone dazwischen.“

So sollen das Erlernen der deutschen Sprache erleichtert werden – insbesondere für Menschen, die hierzulande Deutsch als Fremdsprache lernen.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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