Pflanzen verraten Ursprung der Madagassen

Madagaskar liegt zwar neben Afrika, doch die Bewohner der Insel sprechen eine südostasiatische Sprache. Nun bestätigen Pflanzenspuren im Boden, was Sprachforscher lange vermutet hatten: Die madagassischen Siedler kamen aus Asien.

500 Kilometer östlich des afrikanischen Kontinents, im südwestlichen indischen Ozean liegt Madagaskar. Die Insel ist bekannt für ihre außergewöhnliche Flora und Fauna. Hier gibt es Arten, die man nirgendwo sonst auf unserem Planeten findet. Aber auch die Menschen, die hier leben, sind besonders: Zumindest unterscheiden sie sich von ihren nächsten Nachbarn.

Sie sprechen z.B. Malagasy, eine Sprache aus der austronesischen Sprachfamilie. Dazu zählen unter anderem Maori, Samoanisch und Malaiisch - allesamt Sprachen, die ausschließlich in Südostasien und im pazifischen Raum gesprochen werden, also mindestens 6.000 Kilometer von Madagaskar entfernt.

Die Studie

„Ancient crops provide first archaelogical signature oft he westward Austronesian expansion“, PNAS, 30.5.2016

Dennoch dürften die frühen Siedler diesen weiten Weg zurückgelegt haben und so - vermutlich zufällig - auf der Insel fernab der Heimat gelandet sein. Eine Genanalyse bestätigte vor einigen Jahren die indonesischen Wurzeln des Inselvolks, etwa 830 unserer Zeitrechnung dürften sich die Auswanderer auf den Weg gemacht haben.

Materielle Belege fehlten

Abgesehen von den Genen und der Sprache gab es bisher aber keine Spuren der ungewöhnlichen Abstammung, weder schriftliche Aufzeichnungen noch archäologische Funde. Es gibt zwar Ausgrabungen aus dem ersten Jahrtausend, aber nichts darin deutete bisher auf indonesische Wurzeln.

Graben nach Sedimenten an der afrikanischen Küste

Mark Horton

Forscherin Alison Crowther bei der Arbeit mit Sedimenten

Nun haben die Forscher um Nicole L. Boivin vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte Reste von Nutzpflanzen von insgesamt 18 Orten in Madagaskar, den benachbarten Komoren und von der ostafrikanischen Küste analysiert. Mit einer speziellen Technik haben sie knapp 2.500 pflanzliche Überreste aus Sedimenten gewonnen und unter dem Mikroskop identifiziert.

Unterschiedliche Nutzpflanzen

Dabei stellten sie große Unterschiede fest: Während sich an den afrikanischen Fundstellen vorwiegend für den Kontinent typische Nutzpflanzen wie Hirse und Affenbrotbäume fanden, dominierten auf Madagaskar asiatische Pflanzen wie Mungobohnen, Baumwolle und vor allem Reis.

„Offensichtlich brachten die Einwanderer aus Südostasien Nutzpflanzen aus ihrer Heimat und lebten auch auf Madagaskar weiterhin von ihnen“, so Boivin in einer Aussendung. Man habe mit den Pflanzenresten echte, materielle Belege für den Kolonialisierungsprozess gefunden.

Überraschende Einsichten

Die organischen Spuren bestätigten nicht nur die bisherigen Annahmen, sie führten auch zu neuen Einsichten: Laut der Analyse der Pflanzenreste ist nämlich nicht nur Madagaskar, sondern auch die Inselgruppe der Komoren wahrscheinlich von Einwanderern aus dem südostasiatischen Raum besiedelt worden. Denn dort fanden sich ebenfalls vor allem asiatische Nutzpflanzen in den Sedimenten.

„Das war eine echte Überraschung“, so die Koautorin Alison Crowther von der University of Queensland „die Menschen auf den Komoren sprechen afrikanische Sprachen und sehen auch nicht so aus, als hätten sie asiatische Wurzeln.“ Es gebe aber linguistische Analysen der Inselsprachen, die bereits austronesische Einflüsse vermutet haben. Nun habe man handfeste Belege, dass sich die Einwanderung aus der entfernten Region nicht auf Madagaskar beschränkt haben dürfte.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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