Länger leben mit pflanzlichem Eiweiß

Wer raucht, trinkt und übergewichtig ist, sollte Forschern zufolge Bohnen statt Steaks essen: Das könne Krankheiten vorbeugen und das Leben verlängern - zumindest werde das ungesunde Leben so etwas gesünder.

Proteine sind für den menschlichen Organismus lebensnotwendig. Laut der österreichischen Gesellschaft für Ernährung soll ein Erwachsener täglich 0,8 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Tierisches Eiweiß aus Fleisch, Milch oder Eiern gilt als besonders hochwertig und kann vom Körper leicht aufgenommen werden. Es gibt aber auch sehr eiweißreiche Pflanzen, z.B. Hülsenfrüchten wie Sojabohnen und Kichererbsen sowie Getreide.

Zwei Langzeitstudien liefern jetzt Argumente für die pflanzlichen Quellen. Darin wurden die Ernährungsgewohnheiten von Berufstätigen im Gesundheitssektor aufgezeichnet, darunter 85.000 Frauen und 46.000 Männer. Für die Frauen waren Daten von 1980 bis 2012 verfügbar, für die Männer von 1986 bis 2012.

Die Probanden berichteten per Fragebogen regelmäßig über ihren Lebensstil, ihre Gesundheit und über die Lebensmittel, die sie durchschnittlich zu sich nahmen. Die wichtigsten Quellen für tierisches Eiweiß waren verarbeitetes und unverarbeitetes Rinder- und Schweinefleisch, Hühnerfleisch, Milchprodukte, Fisch und Eier. Pflanzliches Eiweiß stammte vor allem aus Brot, Getreide, Nudeln, Nüssen und Hülsenfrüchten.

Ausgleich für ungesundes Leben

Während der Langzeitstudien starben 36.000 der Teilnehmer, 8.900 durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 13.000 durch Krebs und 14.000 an anderen Ursachen. Die Forscher um Mingyang Song von der Harvard Medical School in Boston setzten die Ernährungsdaten nun in Bezug zu den Todesursachen und fanden einen Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge an tierischem Protein und dem Sterberisiko. Vereinfacht ausgedrückt: Wer mehr pflanzliches als tierisches Eiweiß zu sich nimmt, lebt länger.

Bei Übergewichtigen und denen, die viel Alkohol tranken oder rauchten, war der Zusammenhang besonders ausgeprägt. Das mag auch daran liegen, dass Personen mit einer generell ungesunden Lebensweise normalerweise meist zu den ungesündesten tierischen Produkten greifen, z.B. zu verarbeitetem roten Fleisch und besonders fetten Milchprodukten. Ersetzen sie diese zum Teil durch pflanzliches Eiweiß, ist der Effekt daher vermutlich größer als bei gesundheitsbewussten Menschen, die auch bei tierischen Produkten zu magerem Fisch oder Geflügel greifen.

Ernährungsumstellung mit Folgen

Das Team errechnete auch, wie sich eine Veränderung der Ernährung, also eine Zu- bzw. Abnahme von tierischen und pflanzlichen Proteinen auf das Sterberisiko auswirkt. Nach der Bereinigung der Risikofaktoren aus Lebensstil (Zigaretten, Alkohol, Übergewicht, Bewegung) und Ernährung ergab sich: Wenn der Anteil an tierischem Protein um zehn Prozent im Verhältnis zur gesamten Kalorienaufnahme zunimmt, erhöht sich das Sterberisiko um zwei Prozent, das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, sogar um acht Prozent. Im Gegensatz dazu sinkt das Sterberisiko um zehn Prozent, wenn drei Prozent mehr pflanzliches Protein in der Nahrung enthalten sind.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Leute in Betracht ziehen sollten, mehr pflanzliche Proteine zu essen, und wenn sie unter den Quellen für tierisches Protein auswählen, sind Fisch und Geflügel sicherlich die bessere Wahl“, hebt Song hervor.

Umstrittene Proteinzufuhr

Das Studienergebnis ist für Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung nicht überraschend. Es bestätige die Forschung mit Langzeitdaten, an dem sein Institut beteiligt ist. „Zwei renommierte Langzeitstudien stellen die Grundlagen dar und die statistische Analyse und Auswertung sind sehr umsichtig vorgenommen worden“, sagt Boeing. „Die Studie zeigt, dass Pflanzen eine sehr gute Eiweißquelle sind und dass zu den ökologischen Problemen der Fleischproduktion auch noch ein Gesundheitsrisiko beim Fleischverzehr hinzukommt.“

Auch Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut, das deutsche Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, hält die zugrunde liegenden Erhebungen für „wissenschaftlich sehr gut gemacht“. Allerdings sei fraglich, ob die Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind, weil alle Probanden im medizinischen Umfeld berufstätig seien.

„Gegenwärtig empfehlen einige Experten eine hohe Proteinzufuhr, unter anderem als Maßnahme zur Gewichtsreduktion. Allerdings sind die Langzeiteffekte einer solchen Ernährung nicht bekannt.“ Hier gebe die Studie wichtige Hinweise auf gesundheitliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Proteinquellen. Die Forscher selbst betonen, dass es sich bei der Auswertung um eine reine Korrelationsstudie handelt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Einflussfaktoren eine Rolle spielen.

science.ORF.at/APA/dpa

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