Das Porträt unter dem Porträt

In den 1870er Jahren übermalte der französische Künstler Edgar Degas eines seiner Porträts - aber warum? Lag es an den Ohren? Moderne Verfahren machen erstmals Details des verborgenen Bilds sichtbar: eine junge Frau mit spitzen Elfenohren.

Das „Porträt einer Frau“ zählt zu den bekannteren Werken von Degas. Es entstand zwischen 1876 und 1880 und zeigt eine ältere Frau mit schwarzer Kleidung und einer schleierartigen Haube. Doch darunter verbirgt sich ein weiteres Gemälde. Dieser Umstand ist Experten bereits länger bekannt, denn das Bild unter dem Bild scheint stellenweise durch die oberen Farbschichten.

Die Studie

„A Hidden Portrait by Edgar Degas“, Scientific Reports (4.8.2016).

Schon früher hatten Forscher versucht, mit Hilfe von Röntgenstrahlen zu erkennen, was Degas vor dem Jahr 1876 auf die Leinwand gepinselt hatte. Allerdings konnten sie auf diese Weise nur schwarz-weiße, schemenhafte Umrisse eines Frauenkopfes erkennen. Nun ist dieser Porträtversuch, den Edgar Degas offenbar vor der Öffentlichkeit verstecken wollte, detailliert und farbig auf dem Bildschirm australischer Forscher wiedererschienen.

Das "Porträt einer Frau" und das darunter verborgene Bild

David Thurrowgood

Das „Porträt einer Frau“ im Scanner - und das darunter verborgene Bild

Das Team um David Thurrowgood von der National Gallery of Victoria in Melbourne hatte das Gemälde unter anderem mittels Röntgenfluoreszenzanalyse untersucht. Mit dieser Technik kann die chemische Zusammensetzung von Materialien erkannt werden, weil die Elemente charakteristische Strahlung absondern.

Wegen der großen Datenmenge, die dabei entsteht, ist das Scannen großer Bildbereiche mit guter Auflösung erst seit einigen Jahren möglich. Den erkannten Elementen, wie Kupfer oder Quecksilber, ordneten die Wissenschaftler Farben von Degas Farbpalette zu. Auf diese Weise reproduzierten sie Pixel für Pixel das verborgene Gemälde.

Korrektur der Ohren

In dem Porträt erkannten die Wissenschaftler eine Frau, die zur damaligen Zeit bei Malern ein gefragtes Model war: Emma Dobigny. Auch Degas malte sie öfter. Bei dem übermalten Porträt konzentrierte sich der Künstler offenbar auf die Ohren. Diese wirken auffällig spitz. Die Forscher stellten fest, dass der Maler dies mit einigen Korrekturen abmildern wollte. Tatsächlich wird von Degas behauptet, dass er eine einige Zeit lang solche Elfenohren malte.

Für die Forscher ist ihre Entdeckung nicht nur von kunsthistorischer Bedeutung. Auch könne die Technik angewendet werden, um den Malstil eines Künstlers eindeutiger zu bestimmen und so Fälschungen zu erkennen. Nach Angaben der Forscher blieb das Bild von der Strahlung unbeschädigt.

Edgar Degas wurde 1834 in Paris geboren und ist als Künstler zwischen traditionellem Stil und dem modernen Impressionismus einzuordnen. Der Maler wiederholte bestimmte Themen öfter, wie Balletttänzerinnen, Frauen bei der Körperpflege und Pferderennen. Gegen Lebensende erblindete er und widmete sich der Bildhauerei.

science.ORF.at/dpa

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