Fortschritte bei personalisierten Krebstherapien
In Österreich erkranken jedes Jahr rund 250 Kinder an Krebs. Tritt die Erkrankung zum ersten Mal auf, dann sind die Heilungschancen hoch. Doch kehrt der Krebs zurück, überleben je nach Art des Tumors nur bis zu zwanzig Prozent - trotz Chemotherapie, Operation und Bestrahlung. Ein Tumor, der besonders gefährlich ist, wenn er zurückkehrt, ist das Neuroblastom. Dieser Krebs dockt an das periphere Nervensystem an. Die Tumore sitzen im Nebennierenmark oder entlang der Wirbelsäule.
Vom harmlosen Tumor lernen
Um die bösartige Verlaufsform des Neuroblastoms zu verstehen, untersuchen Kinderonkologinnen wie Angelika Eggert von der Berliner Charité auch gutartige Tumore. „Eine Verlaufsform entsteht schon beim Säugling, hat haber biologisch sehr günstige Eigenschaften“, sagt Eggert bei den Technologiegesprächen in Alpbach.
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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in den Dimensionen, 29.8., 19:05 Uhr.
Nach einer Biopsie und einer molekularen Analyse wissen die Mediziner, wie sich der Krebs entwickeln wird. Handelt es sich um die harmlosere Form, dann tun sie etwas Ungewöhnliches - nämlich gar nichts. „Wir sind dann sicher, dass sich dieser Tumor mit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit zurückentwickeln wird. Diesen Kindern können wir eine Chemotherapie ersparen“, erläutert Angelika Eggert.
Die molekulare Analyse der Tumore soll auch Hinweise für mögliche Therapien bei schwerwiegenderen Erkrankungen geben. Bei der aggressiven Verlaufsform entdecken die Ärzte bei der Hälfte der Fälle schon zum Zeitpunkt der Diagnose Metastasen. Operation oder Chemotherapie helfen hier nicht immer. „Wenn wir verstehen, warum sich ein Tumor spontan zurückbildet, wenn wir diese Signalwege kennen, dann können wir dieses Wissen womöglich in die Entwicklung neuer Therapien stecken“, hofft die Kinderonkologin.

ORF/Hans Leitner
Angelika Egger in Alpbach
Krebs wird resistent
Einige Signalwege wurden bereits identifziert. Das Immunsystem dürfte eine wichtige Rolle spielen, ebenso gestörte Wege des programmierten Zelltods, sagt Angelika Egegrt. Doch wie die Mediziner diese Signalwege beeinflussen können, ist noch unbekannt.
Eine weitere Eigenschaft des Neuroblastoms beschäftigt Angelika Eggert und ihre Kollegen an der Charité: Kehrt der Tumor zurück, dann verändert sich seine genetische Struktur. Plötzlich tauchen Genmutationen auf, die zuvor nicht vorhanden waren und die den Tumor gegenüber der Chemo resistent machen. Hier sind die Überlebensraten besonders schlecht.
Technologiegespräche Alpbach
Von 25. bis 27. August fanden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Ein Fachplenum widmete sich den Fortschritten in der personalisierten Krebsmedizin, an dem auch Angelika Eggert teilnahm.
Hoffnung: Präzisionsmedizin
Um diese gefährlichen Tumore zu bekämpfen, verfolgen die Wissenschaftler mehrere Strategien: Einerseits setzen sie auf sogenannte liquid biopsies, also DNA-Analysen anhand von Blutproben, um den Kindern die vielen Operationen zu ersparen. Andererseits erhoffen sich die Ärzte Erfolge von personalisierten und immuntherapeutischen Ansätzen.
Bei der personalisierten, molekular gezielten Therapie wird das Tumorgewebe analysiert. Dadurch können die Mediziner mehr über das Verlaufsrisiko und Medikamente auswählen, die exakt auf die Tumoreigenschaften abgestimmt sind - sofern diese bereits auf dem Markt sind. Bei der Immuntherapie werden dem kranken Kind Immunzellen entnommen. „Die werden dann bei den meisten Verfahren im Labor scharf gemacht und dem Patienten wieder zugeführt. Die eigenen Immunzellen können dann besser gegen den Krebs kämpfen“, erläuert Eggert.
Noch nicht klinischer Alltag
Im Klinikalltag sind diese Therapien noch nicht gänzlich angekommen. Während die Vorhersage des individuellen Risikos schon relativ gut funktioniert, fehlt es bei den maßgeschneiderten Therapien noch an Wirkstoffen. „Der Krebs ist schlau, er findet ständig neue Wege“, sagt Eggert. „Wir müssen lernen, wie wir Tumorresistenzen hinauszögern können. Das ist der nächste notwendige Schritt.“
Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft