Als die Normannen Britannien eroberten

Die Britischen Inseln waren von Anbeginn ihrer Geschichte Ziel von Invasionen. Die letzte fand vor 950 Jahren statt: Es war jene der Normannen unter ihrem Anführer Wilhelm dem „Eroberer“.

Zuerst kamen Kelten und Keltiberische Stämme, um die Zeitenwende die Römer, nach dem Jahr 400 die Germanischen Stämme der Angeln, Sachsen und Jüten, die die Kelten größtenteils in das heutige Schottland und Wales zurückdrängten. Dann zweimal die Wikinger - und im Herbst 1066 dann Wilhelms Normannen.

Seither gab es nur mehr drei Invasionsversuche: die Spanier im 16. Jahrhundert mit ihrer „Invincible Armada“, Napoleon, der erstmals das Projekt eines Kanaltunnels ersann, und Adolf Hitlers gescheiterter Invasionsplan, das „Unternehmen Seelöwe“.

Kurzlebiges nordisches Großreich

Kurz nach Beginn des 11. Jahrhunderts gelang es dem dänischen Herrscher Knut dem Großen, das Reich der Angelsachsen zu erobern und ein kurzlebiges nordisches Großreich (Dänemark, Norwegen, England, Hebriden) zu gründen, das aber den Tod seines Gründers nicht überdauerte. Danach gelangte Eduard der „Bekenner“ (Confessor), Sohn des letzten angelsächsischen Königs, auf den englischen Thron. Nach ihm stieg sein Sohn Harold zum Herrscher des Reiches auf.

Harold wusste, dass er ohne Kampf kaum den Thron behalten würde, denn der Herzog der Normandie jenseits des Ärmelkanals, Wilhelm, hatte schon lange geplant, nach Eduards Tod die Herrschaft über dessen Reich zu übernehmen. Wilhelms Anspruch beruhte zum Teil auf verwandtschaftliche Beziehungen dorthin: Eduards Mutter Emma war Tochter des normannischen Herzogs Richard, eines Vorfahren Wilhelms.

Wilhelm startet die Invasion

Wilhelm und seine Anhänger waren Nachkommen dänischer Wikinger, die sich im 10. Jhdt. in Nordfrankreich in der heute Normandie genannten Region niedergelassen hatten. Ihrem Anführer Rollo, einem Vorfahr Wilhelms, war 911 das Gebiet vom fränkischen (französischen) König Karl dem Einfältigen als Lehen überlassen worden. Die Dänen assimilierten sich in der lokalen fränkischen Bevölkerung, nahmen das Christentum als Religion, sowie die damalige französische Sprache und die lokalen Sitten an, so dass sie zu Beginn des 11.Jahrhunderts praktisch zu Franzosen geworden waren.

1051 hatte sich Wilhelm ein Versprechen Eduards des Bekenners gesichert, wonach er zu dessen Nachfolger designiert würde. 1064 hatte Wilhelm Harold das Versprechen abgerungen, zu gegebener Zeit seinen, Wilhelms, Anspruch zu unterstützen. Harold war nicht willens, das erzwungene Versprechen einzuhalten, auch Eduards Versprechen, so es tatsächlich abgegeben worden war, erfuhr keine Erfüllung, was Wilhelms erst recht zur Durchsetzung seines Anspruches einschließlich einer Invasion bewog.

Propaganda und Sieg in der Schlacht

Harolds Herrschaft über England wurde 1066 auch vom norwegischen König angefochten, der aber bei Stamford Bridge in Nordengland eine Niederlage gegen Harolds Truppen erlitt. Dann musste Harold mit seinen Truppen nach dem Süden eilen, weil er inzwischen von der Invasion Wilhelms erfahren hatte. Dieser hatte nach der Machtübernahme Harolds eine Propagandaoffensive an vielen Höfen Europas unternommen und sich den Segen des Papstes gesichert, bevor er mit seinen Truppen an der Küste Südenglands landete.

Ausschnitt Teppich von Bayeux: Normannische Krieger in Schiffen

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Wilhelms Flotte überquert den Kanal: Ausschnitt des Teppichs von Bayeux

Obwohl den Normannen zahlenmäßig überlegen, waren Harolds Truppen durch den Kampf in Nordengland und den langen Fußmarsch in Richtung Süden geschwächt. Am 14. Oktober 1066 siegte Wilhelm bei Hastings (Grafschaft Sussex) über seinen Gegner Harold, der in der Schlacht fiel, seine Truppen wurden aufgerieben.

Berühmt ist die Darstellung der Ereignisse um diese Eroberung Englands auf dem um 1072 angefertigten Teppich von Bayeux, der im Musee de la Reine Mathilde in dieser nordfranzösischen Stadt zu bewundern ist.

Divide et impera

Der zu Weihnachten 1066 zum englischen König gekrönte Wilhelm sicherte in seinem Krönungseid den Weiterbestand der bisherigen angelsächsischen Verwaltungs- und Rechtsordnung zu. Bis 1070 wurde das ganze Land unterworfen. Die mit Wilhelm gekommenen Adeligen erwarteten eine Belohnung für ihre Hilfe und auch er wusste, dass er auch weiterhin auf ihre Unterstützung angewiesen sein würde.

So teilte er ihnen von seinen englischen Gegnern abgenommenen Landbesitz zu, aber so aufgeteilt, dass die neuen Besitzer, die dem König einen Treueid leisten mussten, nicht über zu viel Grundbesitz in einer Gegend verfügten, sondern eher kleine Ländereien in verschiedenen Landesteilen. So konnten seine Anhänger nicht zu mächtig werden oder gar dem König trotzen. Auf diese Weise und auch durch besondere Schutzprivilegien machte ihnen Wilhelm klar, dass er auf eine feste und stabile, im ganzen Land respektierte Königsmacht aus war.

Das 1086 zusammengestellten sogenannte Doomsday Book (Gerichtstagebuch) enthielt einen Kataster des gesamten Land- und Grundbesitzes in den einzelnen Grafschaften (Shires) - die Grundlage für das von Wilhelm nach kontinentalem, bes. französischem Vorbild eingeführte Feudalsystem. So sorgte der König dafür, dass seine zentralistische Herrschaft stark genug war, dass auch unter schwächeren Nachfolgern ein funktionierendes „gesundes Gleichgewicht“ zwischen König und Adel bestand und die Einheit des Landes jahrhundertelang nicht ernstlich gefährdet werden konnte.

Konflikt mit Erzbischof von Canterbury

Auch die Kirche unter Führung des Normannischen Hochklerus unterstand dem Lehenssystem und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen. Wilhelm versuchte, den Einfluss des Papstes (damals Gregor VII. 1073-85) zurückzudrängen und machte sich praktisch zum Oberhaupt der Kirche seines Landes. Aus der Trennung der geistlichen von der weltlichen Gerichtsbarkeit, von der die Krone profitierte, entsprang ein Konflikt mit dem Erzbischof von Canterbury, Anselm, über die Invesitur, der erst 1107, lange nach Wilhelms Tod beigelegt werden konnte.

Unter Wilhelm wurde 1078 mit dem Bau des White Tower in London begonnen (vollendet 1097), eines der besten Beispiele normannischen Burgenbaues: ein Wehrbau, bei dem Wohn- und Repräsentationsräume in einem einzigen turmartigen Gebäude zusammengefasst waren.

Wilhelm starb im September 1087 während eines Feldzuges in Frankreich, sein Leichnam ruht in der Abbaye aux Hommes in Caen, seiner damaligen Hauptresidenz in der Normandie. Die Normannische Dynastie Englands erlosch 1135 im Mannesstamm, die Krone fiel in der Folge aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen an das Haus Anjou.

Harald Krachler, APA

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