Krank durch das Krankenhaus

Eigentlich sollten Krankenhäuser gesund machen. Doch pro Jahr infizieren sich in Europa 2,6 Millionen Menschen im Spital. Rund 90.000 von ihnen sterben laut einer neuen Studie an den Folgen.

Lungenentzündungen, Sepsis (Blutvergiftung) sowie Harnwegs- und Wundinfektionen zählen zu den häufigsten Infektionen, die sich Patienten bei einem Krankenhausaufenthalt zuziehen. Ein Drittel der Krankenhausinfektionen gilt als vermeidbar - zum Beispiel durch bessere Hygiene.

Laut den Forschern um Alessandro Cassini vom Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sterben in ganz Europa jährlich dennoch 91.000 Menschen an einer Krankheit, die sie sich erst im Krankenhaus zugezogen haben. 2,6 Millionen Krankheitsfälle sind es insgesamt.

Die Daten für den Bericht wurden 2011/12 in 30 europäischen Ländern mit insgesamt 510 Millionen Einwohnern erhoben. Für die gesamte Hochrechnung der Forscher wurden die Daten aus 947 europäischen Krankenhäusern herangezogen, mit insgesamt 231.459 Patienten. Krankenhausinfektionen, die durch multiresistente Erreger ausgelöst wurden, wurden bewusst nicht separat ausgewiesen. Sie sind in die Gesamtzahl eingeflossen.

Dünne Datenlage

Österreich lieferte ebenfalls Daten. Hierzulande erkrankten 2011/12 etwa sechs Prozent der Krankenhauspatienten - das waren in der untersuchten Stichprobe weniger als 800. Der Bericht betont allerdings, dass die Daten aus Österreich wie aus einigen anderen Mitgliedsstaaten dürftig waren („poor“).

Neben Österreich gilt das auch für die Daten aus Tschechien, Rumänien und Norwegen. Noch weniger repräsentativ waren die Daten aus Dänemark und Schweden. In Österreich waren nur neun Krankenhäuser an der Erhebung beteiligt. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 46 Krankenhäuser. Dort geht man von 500.000 Krankenhausinfektionen und 15.000 Todesfällen aus.

In Deutschland gibt es im Unterschied zu Österreich schon jetzt das sogenannte Infektionsgesetz, wie der Mediziner Rainer Gattringer vom Nationalen Referenzzentrum für Krankenhausinfektionen und Antibiotikaresistenz gegenüber science.ORF.at erklärt. Das heißt, die Infektionen im Krankenhaus müssen gemeldet werden.

Systematische Datenerfassung

Die Erhebung der Daten erfolge in Österreich bisher auf freiwilliger Basis. Daher seien die im Bericht verwendeten Daten von 2011/12 so wenige. Aber, so Gattringer, bei der bisher letzten Erhebung (2015) seien schon bei Weitem mehr Krankenhäuser beteiligt gewesen.

„Bei der neuen Erhebung waren 51 Krankenhäuser beteiligt, mit 13.880 Patienten. 5,3 Prozent davon sind an einer Krankenhausinfektion erkrankt, das sind 727 Krankheitsfälle“, erklärt Gattringer. Und es wird an einer weiteren Systematisierung gearbeitet. Geplant ist eine bundesweit einheitliche Datenerfassung.

Rechtliche Grundlage ist die „Rahmenrichtlinie für die systematische Erfassung von Krankenhauskeimen“. Für 2016 sind Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung geplant, 2017 soll die erste Dateneingabe durch die Krankenanstalten erfolgen und 2018 die erste bundesweite Datenmeldung.

Langfristiger Vergleich

Dann kann man laut Gattringer auch langfristige Datenvergleiche machen. Todesfälle werden damit übrigens nicht erfasst. „Aber man kann dann Krankenanstalten auch untereinander vergleichen, auch international“, betont Gattringer. Man könne schneller Probleme erkennen und Maßnahmen für die Patientensicherheit ergreifen. Auch die Resistenzdaten werden im Rahmen der neuen Richtlinie erhoben. Ziel ist zudem eine Kontrolle des Antibiotikaverbrauchs. Denn es soll gezielter eingesetzt werden, um neue Resistenzen zu verhindern.

Das wichtigste Mittel im Kampf gegen Krankenhausinfektionen bleibt laut Gattringer aber die Hygiene, die im Bedarfsfall - etwa wenn ein besonders hartnäckiger Erreger auftaucht - verschärft werden sollte. „Wenn man engmaschig kontrolliert, kann man solche Veränderungen schneller erfassen“, wie Gattringer einen weiteren Nutzen der neuen Verordnung beschreibt.

Auch in Zukunft werden sich Krankenhausinfektionen nicht ganz verhindern lassen, weder mit verstärkten Kontrollen noch mit zusätzlicher Hygiene. Im klinischen Alltag können auch an sich harmlose Keime zum Problem werden, etwa solche, die jeder mit sich trägt, auf der Haut oder im Darm. Bei invasiven Eingriffen wie einem Katheter oder bei künstlicher Beatmung finden die Erreger Eintrittsschienen in den Körper. Außerdem werden die Patienten immer älter und kränker und damit oft anfälliger für Infektionen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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