Schmerzen: Keine reine Nervensache

Wenn man sich in den Finger schneidet, schmerzt zunächst die Wunde, bald kann aber die ganze Hand wehtun. Daran sind Forschern zufolge nicht Nervenzellen schuld, sondern das umgebende Stützgewebe. Diese Zellen verstärken den Schmerz und tragen ihn in andere Körperteile.

Bisher hat man angenommen, dass Schmerzen eine reine Nervensache sind, erklärt Jürgen Sandkühler vom Department für Neurophysiologie der Medizinischen Universität Wien, der die Studie geleitet hat, im Gespräch mit der APA.

Bei einer Entzündung oder Verletzung leiten Nervenbahnen eine Erregung an das Rückenmark und von dort an das Gehirn, wo der Sinneseindruck „Schmerz“ entsteht. „Bei der Kommunikation zwischen Nervenzellen besteht aber eine hohe räumliche Präzision“, sagt er, damit ist also nur der Schmerz genau an der betroffenen Stelle zu erklären.

Schmerz breitet sich aus

Mit Kollegen hat er nun herausgefunden, dass nicht zu den Nervenzellen zählende Zellen die körperliche Pein verstärken und ausweiten. Diese Gliazellen umgeben die Nervenzellen, unterstützen ihren Stoffwechsel und sorgen dafür, dass das Nervensystem in Ordnung bleibt, so der Forscher. Sie werden durch Botenstoffe der Nervenzellen (Neurotransmitter) wie Glutamat und ATP (Adenosintriphosphat, einem wichtigen Energieträger in allen Lebewesen) aktiviert. Daraufhin setzen sie selbst Botenstoffe frei, die entzündungsfördernd sind und andere Gliazellen auf den Plan rufen.

Die Gliazellen bilden ein Netzwerk, in dem eine jeweils ihre Nachbarn aktiviert, erklärte Sandkühler. Am Ende reizen sie wiederum die Nervenzellen, die das Signal ins Gehirn weiterleiten. Auf diese Art können sie den Schmerz verstärken und sorgen dafür, dass er sich in Körpergegenden ausbreitet, die vom Auslöser gar nicht betroffen waren.

Gesundes Leben verhindert Schmerz

Wie stark die Gliazellen aktiviert werden, hat man aber zum Teil selbst in der Hand, so der Mediziner. Es ist bekannt, dass etwa Angststörungen, Depressionen und Diabetes Entzündungen im Rückenmark und Gehirn (Neuroinflammation) fördern, aber auch chronischer Stress, Übergewicht, Bewegungsmangel, Alkohol und schlechte Ernährung.

„Jede Woche drei bis viermal eine halbe Stunde Sport, gesundes Essen und wenn man sein Gewicht einigermaßen hält, sorgen dafür, dass solche Prozesse nicht oder in geringerem Ausmaß stattfinden“, sagt Sandkühler. Mit einer gesundheitsbewussten Lebensweise könne man viele Schmerzen und Zipperlein verhindern.

Die neuen Erkenntnisse erklären auch, wieso viele entzündungshemmende Substanzen schmerzlindernd sind, wie etwa Aspirin und Ibuprofen. Sowohl im Gehirn und Rückenmark als auch dem Rest des Körpers könnten sie in vielen Fällen Entzündungen dämpfen und damit die schmerzfördernde Wirkung der Gliazellen einschränken.

science.ORF.at/APA

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