Wir bezahlen, Sie forschen?

Hochschulen sind in Zeiten knapper Budgets immer mehr auf Geld aus der Wirtschaft angewiesen. Aber wer wie viel zahlt und was mit den Mitteln gemacht wird, weiß niemand genau. Transparency Österreich fordert ein Spendenregister, erste Reaktionen darauf sind zwiespältig.

Ein Hörsaal benannt nach Raiffeisen. Ein Institutsgebäude bezahlt vom Pharmaunternehmen Boehringer-Ingelheim. Eine Studie zu Kindergesundheit, gesponsert vom Waffenproduzenten Gaston Glock. Alles das gab bzw. gibt es an österreichischen Hochschulen. Was es nicht gibt, ist ein Überblick, kritisiert Markus Scholz, Leiter der Arbeitsgruppe Hochschulfinanzierung bei Transparency Österreich: „Es gibt keine Transparenz, wer diese Mittel gibt, in welcher Höhe diese Mittel kommen, von wem diese Mittel kommen und wofür diese Mittel verwendet werden.“

Keine konkreten Zahlen

Universitäten weisen sogenannte Drittmittel, darunter auch Mittel von Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen, nur zusammengefasst aus. Fachhochschulen müssen Drittmittel in ihrer Bilanz überhaupt nicht ausweisen. Privatuniversitäten fallen zwar unter das Universitätengesetz, sind aber in erster Linie ihrem Eigentümer verpflichtet.

Ö1 Sendungshinweise:

Über dieses Thema berichteten Morgenjournal und Mittagsjournal am 14.11.2016.

Deshalb ist es auch so schwierig, das Phänomen mit konkreten Zahlen zu versehen. Unidata, das hochschulstatistische Informationssystem des Wissenschaftsministeriums, kommt für 2015 auf rund 160 Millionen Euro, die von Unternehmen an Hochschulen geflossen sind, wobei hier aber Auftragsforschung, Sponsoring und Spenden zusammengerechnet sind.

Stiftungen scheinen in der Statistik gleich mehrmals auf, rechnet man alle Posten zusammen, kommt man auf rund 60 Millionen Euro, da sind aber auch Vereine, Körperschaften und Spenden von Privatleuten eingerechnet. Eines ist jedenfalls klar: Drittmittel werden für Hochschulen immer wichtiger, zwischen 2007 und 2013 sind sie um 47,1 Prozent gestiegen.

Kein Generalverdacht, aber Probleme

Auch wenn es an Ein- und Überblick mangelt: Drittmittelgeber unter Generalverdacht zu stellen, das ist nicht der richtige Weg, betont Markus Scholz, der selbst eine Stiftungsprofessur für Unternehmensethik an der Fachhochschule Wien innehat, finanziert von mehreren online nachvollziehbaren Firmen. Über problematische Entwicklungen müsse man aber sprechen: „Es gibt in Österreich und in Wien Fälle, wo sich die Stifter sehr stark in Berufungskommissionen eingebracht haben, wo die Berufung abgebrochen wurde und eine Neuausschreibung stattfinden musste.“

Gerade bei Stiftungsprofessuren, die auf fünf Jahre befristet eingerichtet werden, werde mitunter den Wünschen des Stifters zu sehr nachgegeben, so Scholz - hängt doch in vielen Fällen der eigene Job, das eigene Projekt am Wohlwollen des Geldgebers. Nun liege es an den Hochschulen, für Transparenz zu sorgen: „Ich würde unterstellen, dass die großen österreichischen Universitäten, vielleicht sogar Fachhochschulen, nicht auf Knopfdruck beantworten können, wer wie viel Geld für welche Zwecke gibt. Es bräuchte im Wesentlichen ein Spendenregister, daran scheitert es an den meisten Hochschulen schon.“

Klare Regeln

Außerdem brauche es klare Richtlinien, wie mit Drittmitteln umgegangen werden soll, und ein Training für die Belegschaft. Konfliktfälle müssen dokumentiert werden, und es muss die Möglichkeit geben, Verstöße - auch anonym - zu melden. Als Grundsatz müsse gelten: das Individuum entlasten, indem die Organisation klare Richtlinien vorgibt, auf die sich der einzelne berufen kann. Geldgeber in Entscheidungsgremien über eine Lehrstuhlbesetzung müssten ebenso ausgeschlossen werden wie Abendessen von Stiftungsprofessor und Finanzier.

„Wir sehen im Moment eine politische Motivation, Drittmittel aus Unternehmen und Stiftungen Hochschulen zuzuführen. Das ist erstmal kein schlechtes Unterfangen. Wir müssen nur aufpassen, dass die Freiheit der Lehre und Forschung nicht gefährdet wird.“ Und da würde ein einziger Fall reichen, um Wissenschaft als gekauft in Verruf zu bringen, so Markus Scholz, Wirtschaftsexperte und Arbeitskreisleiter von Transparency Österreich. Im eigenen Interesse sollten die Hochschulen deshalb an mehr Transparenz arbeiten.

Uniko-Reaktion: Zweifel an „Mehrwert“

Mehr Transparenz sei immer gut, sagt der Präsident der Universitätenkonferenz Uniko, Oliver Vitouch. Ein öffentliches Spendenregister sieht er aber skeptisch, „weil ich glaube, dass bereits ein sehr hohes Niveau der Transparenz erreicht ist - vielleicht nicht für jeden und jede von außen auf Knopfdruck, aber so, dass die Instanzen, die dafür zuständig sind, einen sehr guten Wissensstand und funktionierende Kontroll- und Interventionsmechanismen haben.“

Hinweis:

Dieser Beitrag wurde um 13 Uhr aktualisiert und mit den Reaktionen aus Hochschulen und Politik ergänzt.

Was ein Spendenregister zusätzlich zu den bereits bestehenden Kontrollen etwa durch Wissenschaftsministerium und Universitätsrat bringen soll, sei ihm nicht klar, so Vitouch. Aufgeschlossener zeigt sich da die Fachhochschulkonferenz FHK: „Wenn man einer Fachhochschule Geld zukommen lässt in Form einer Spende, ist dieses Unternehmen steuerbegünstigt. Dieses muss melden, dass es einen Steuervorteil lukriert. Die empfangende Institution auf der anderen Seite, die Hochschule, wird das dann auch ausweisen können. Das hätte eine gewisse Logik“, meint Kurt Kozelnik, FHK-Pressesprecher.

WU: 1,2 Millionen mit „Hörsaal-Sponsoring“

Auch der für Finanzen zuständige Vizerektor der Wirtschaftsuniversität Wien, Harald Badinger, sagt: „Wenn es ein Spendenregister gibt, hätten wir sicher kein Problem mit einer Veröffentlichung.“ Man müsse es nur mit den Sponsoren abklären, aber wenn die Offenlegung vorgeschrieben wäre, würden auch die Geldgeber zustimmen, meint der WU-Vizerektor. Die WU Wien lukriert derzeit allein durch das „Hörsaal-Sponsoring“, also die Benennung von Hörsälen und Gebäuden nach Unternehmen, 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Pro Stiftungsprofessur sind es 250.000 bis 300.000 Euro.

Wichtig ist Badinger - wie anderen angefragten Universitäten auch - dass Richtlinien zur Offenlegung für alle Hochschulen gelten - also Universitäten, Fachhochschulen und Privatunis.

„Arbeiten an Empfehlungen“

An solchen einheitlichen Vorgaben werde gearbeitet, sagt Harald Mahrer, ÖVP-Staatssekretär im Wissenschaftsministerium: „Wir arbeiten gerade an einer Art Kodex für die Hochschulen rund um das Thema gemeinnützige Stiftungen, und da werden solche Empfehlungen drinnen stehen.“

An eine gesetzliche Vorgabe zur Offenlegung von Spenden und Stiftungsgeld sei derzeit nicht gedacht, so Mahrer. Es zeigt sich aber zuversichtlich, dass unverbindliche Richtlinien von den Hochschulen eingehalten würden. Grundsätzlich befürwortet er eine Offenlegung von Spenden ab einer Höhe von 10.000 Euro. Vage bleibt er auf die Frage nach der Zulässigkeit von anonymen Spenden. Deutsche und Schweizer Hochschulen lehnen sie zum Teil schon heute ab. Ob das ein Vorbild für Österreich ist, darauf will sich der Staatssekretär nicht festlegen.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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