Was das Handy über unser Leben verrät

Forensiker werden mit dieser Studie ihre Freude haben, Datenschützer eher nicht: US-Forscher können anhand chemischer Spuren auf Handys den Lebensstil der Besitzer rekonstruieren. Speiseplan, Krankheiten und Hygiene - all das ist am chemischen Fingerabdruck ablesbar.

Computermaus und -tastatur sind wohl jene Gegenstände, die der durchschnittliche Büromensch vulgo Homo sedens im Laufe eines Tages am häufigsten berührt. Wie uns Mikrobiologen unterrichten, entsteht so am Arbeitsgerät ein veritabler Bakterienzoo.

Mit Hilfe von Genvergleichen kann man herausfinden, woher die Bakterien stammen: Die meisten siedeln erwartungsgemäß auf der menschlichen Haut, einige in Mund bzw. Nase, und manche stammen aus - dem Darm. Klingt nicht appetitanregend, ist aber in der Regel kein großes hygienisches Problem. Krankheitserreger sind nämlich zum Glück selten dabei. Wie kommen die Darmbakterien dorthin?

Eine mögliche Antwort lieferte vor vier Jahren eine Studie von Forschern der San Diego University. Sie wiesen anhand von Mikroben-DNA nach, dass sich Männer nicht so oft die Hände waschen wie Frauen. Oder, wie es damals der Studienautor Scott Kelley ausdrückte, „Männer haben gemeinhin eine eher nachlässige Natur“.

Spuren von Gewürzen und Medikamenten

Nun haben sich erneut Forscher aus San Diego im analytischen Spurenlesen versucht, diesmal am Untersuchungsobjekt Handy. Wissenschaftler um den Chemiker Pieter Dorrestein nahmen rund 500 Proben von 39 Handys, untersuchten die gewonnenen Moleküle mittels Massenspektroskopie und speisten die Messergebnisse in Datenbanken ein. Resultat: Die chemischen Spuren auf den Handys geben erstaunliche Details über den Lebensstil ihrer Besitzer preis.

Wattestäbchen: Probenentnahme von der Oberfläche eines Handys

Amina Bouslimani, Neha Garg

Probenentnahme: Molekülspuren auf dem Display

Wie die Forscher im Fachblatt „PNAS“ schreiben, konnten sie auf diese Weise zumindest grob rekonstruieren, was die Probanden in letzter Zeit gegessen und getrunken, welche Hautcremes sie verwendet und welche Medikamente sie eingenommen hatten. Zitrusfrüchte, Koffein, Kräuter und Gewürze hinterließen auf den Handys ebenso Spuren wie die Rückstände und Metaboliten von Augentropfen oder Antidepressiva.

Manche Stoffe, Sonnencremes und Moskitosprays etwa, waren sogar Monate nach ihrer letzten Verwendung nachweisbar. „Durch die Analyse der Moleküle können wir zum Beispiel herausfinden, ob eine Person weiblich ist, ob sie teure Kosmetika verwendet, ob sie lieber Bier statt Wein trinkt, ob sie scharfes Essen bevorzugt, ob sie sich wegen Depressionen behandeln lässt oder ob sie Sonnencreme verwendet - und sich daher vermutlich gerne im Freien aufhält“, sagt Amina Bouslimani, Erstautorin der Studie.

Neues Werkzeug für Forensiker

Ganz so zielsicher wie ein Fingerabdruck oder eine DNA-Probe ist die Methode allerdings nicht. „Die chemischen Spuren wird man vermutlich nie ganz genau einer Person zuordnen können“, sagt Pieter Dorrestein gegenüber science.ORF.at. „Man kann die Methode benutzen, um den Kreis der relevanten Individuen einzuschränken.“

„Man“ heißt in diesem Fall: Kriminalisten und Forensiker. Die Wissenschaftler glauben, dass ihr Ansatz in Zukunft bei der Suche nach Straftätern oder Terroristen von Nutzen sein könnte, auch im Fach Toxikologie wären Einsätze denkbar, die Analysen könnten etwa Hinweise auf Giftstoffe in der Umwelt liefern.

Gleichwohl wären ebenso missbräuchliche Verwendungen denkbar, Stichwort „gläserner Mensch“. In dem Forschungspapier werden diese Risiken mit keinem Wort erwähnt - warum? „Die Studie ist nur ein Machbarkeitsbeweis“, sagt Dorrestein. „Momentan brauchen wir für diese Versuche Geräte, die teurer sind als ein Ferrari. Auch die Datenbanken sind noch lange nicht vollständig.“

Sollte die Methode einmal für breite Anwendungen ausgereift sein, so der amerikanische Chemiker, müsse man wohl dieselben Diskussionen führen, die auch bei der DNA-Sequenzierung geführt wurden. „Wir müssen sicherstellen, dass es keinen Missbrauch gibt.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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